250 Italien. (Mai 31.—Juni 7.)
Leiter des Bureaus für geheime Informationen bei der ägyptischen Polizei,
dem italienischen Konsulat, daß ein gewisser Mario Bazzani von S. Miniato
ihm vertraut habe, daß die italienischen „Anarchisten“, in dem Laden Par-
rinis zwei Bomben verfertigt hätten, die ein Schiffskoch Namens Luigi Sanson
auf einem Dampfer der ägyptischen Schiffahrtsgesellschaft nach Palästina
bringen sollte. Bazzini denunzierte außer Sanson und Parrini auch alle
obengenannten „Anarchisten“, mit Ausnahme von Vasai, Luciani und Corti
Gazzoni. Man durchsuchte sofort den Laden Parrinis und fand eine Kiste.
Parrini schwor, daß sie Kognak enthalte, und um das auf der Stelle zu
beweisen, ergriff er einen Hammer und wollte sie öffnen. Glücklicherweise
wurde ihm das nicht gestattet, denn die Kiste enthielt thatsächlich zwei
eiserne Bomben von konischer Form mit hervorragender Zündschnur. Sie
waren 25 Zentimeter hoch, wogen fast 1½ Kilogramm und waren mit einem
furchtbaren Sprengstoff gefüllt. Natürlich folgten sofort die üblichen Haus-
suchungen und Verhaftungen. Bazzani verlangte bald eine Belohnung für
die gelieferten Informationen; er drängte so sehr, daß er Verdacht erregte.
Dieser Verdacht wuchs, als ein englischer Ingenieur, Herr Lynn, bekannt
gab, ein arabischer Arbeiter, Namens Makmand, habe ihm vertraut, daß er
im Auftrage Bazzanis Bomben angefertigt habe. Bazzani gab zu, daß er
bei der Anfertigung der Metallhülsen der Bomben beteiligt gewesen sei, dann
habe er die Hülsen jedoch dem Araber Polli gegeben. Es wurde aber fest-
gestellt, daß dem Parrini die Kiste von einem Araber übergeben worden war,
der den Auftrag hatte zu sagen, daß sie Kognak enthalte; das beweist, daß
Bazzani, der unter den Italienern als Spitzel bekannt war, die Bomben nicht
dem Polli gab, sondern sie selbst in den Laden Parrinis schickte. Die ein-
geleitete Untersuchung ergab, daß nichts darauf schließen ließ, daß ein Attentat
gegen den Kaiser geplant war. Der Angeklagte wird der falschen Anuschul-
digung schuldig erkannt und unter Zubilligung mildernder Umstände zu
sieben Jahren sechs Monaten Zuchthaus und dreijähriger Stellung unter
Polizeiaufssicht verurteilt; gleichzeitig wird ihm auf Lebenszeit die Fähigkeit
zur Bekleidung öffentlicher Aemter abgesprochen.
31. Mai. Die Kammer billigt mit 239 gegen 140 Stimmen
die Erklärung Visconti Venostas, daß die Regierung in China keine
territorialen Erwerbungen, sondern nur Kohlenstationen erstrebe.
1. Juni. Die Deputiertenkammer beginnt die zweite Be-
ratung über die Vorlagen zum Schutze der öffentlichen Sicherheit.
(Vgl. S. 247, Übersicht und 1898 S. 295.) — Die äußerste Linke
beschließt Obstruktion gegen die Vorlage.
4. Juni. Der König erläßt eine Amnestie, durch welche
die wegen der Mailänder Unruhen (1898 S. 393) bestraft waren,
begnadigt werden außer den Rückfälligen und solchen, die Blut
vergossen haben.
7. Juni. (Deputiertenkammer.) Zur Bekämpfung der
Obstruktion bringt der Abg. Sonnino, der Führer der Mehrheit,
folgenden Antrag ein:
Wenn eine Diskussion sich derart in die Länge zieht, daß der ganze
Gang der parlamentarischen Geschäfte dadurch gestört zu werden droht, so
kann die Kammer beschließen, die Redezeit für jeden Einzelnen festzusetzen