Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

270 Rußland. (Januar 11.) 
Konferenz zu begünstigen geeignet sind, ist die kaiserliche Regierung der 
Meinung, daß es schon jetzt möglich sei, an einen vorläufigen Ideenaus- 
tausch der Mächte heranzugehen zu dem Zweck, um ohne Verzug nach 
Mitteln zu suchen, den fühlbar fortschreitenden Zunahmen der Rüstungen 
zu Wasser und zu Lande ein Ziel zu setzen — eine Frage, deren Lösung 
offenbar mehr und mehr dringlich wird mit Rücksicht auf den Umfang, 
welchen diese Rüstungen neuerdings genommen haben, und um die Wege 
für eine Besprechung der Fragen zu bahnen, welche sich auf die Möglich- 
keit beziehen, Konflikten mit den Waffen in der Hand durch die friedlichen 
Mittel zuvorzukommen, über welche die internationale Diplomatie verfügen 
könnte. Falls die Mächte den gegenwärtigen Augenblick für günstig er- 
achten sollten, um zu einer Konferenz auf diesen Grundlagen zusammen- 
zutreten, würde es gewiß von Nutzen sein, wenn die Kabinette sich über 
ihr Arbeitsprogramm einigten. Die Fragen, welche einer internationalen 
Besprechung im Schoße der Konferenz zu unterziehen wären, könnte man 
in großen Zügen folgendermaßen zusammenfassen: 1. Uebereinkommen, für 
eine zu bestimmende Frist die gegenwärtigen Effektivstärken der Land= und 
Seekräfte, sowie die Budgets des Kriegs und was damit im Zusammenhang 
steht, nicht zu erhöhen. Vorläufige Untersuchung über die Wege, in welchen 
sich für die Zukunft sogar eine Verminderung der Effektivstärken und der 
oben erwähnten Budgets erreichen ließe; 2. Verbot, daß in den Heeren 
und Flotten irgendwelche neue Feuerwaffen und Explofivstoffe oder kräftigere 
Pulversorten, als die gegenwärtig für Gewehre, wie für Kanonen benutzten, 
in Gebrauch genommen werden; 3. Einschränkung der Verwendung schon 
vorhandener Explosivstoffe von verheerender Wirkung für Landkriege und 
Verbot, Geschosse oder irgendwelche Explosivstoffe, von einem Luftballon 
aus oder durch Benutzung anderer, analoger Mittel zur Verwendung zu 
bringen; 4. Verbot, in Seekriegen Untersee= oder Taucher-Torpedoboote 
oder andere Zerstörungsmittel derselben Art zu benutzen, und Verpflichtung. 
in Zukunft keine Kriegsschiffe mit Sporen mehr zu bauen; 5. Anwendung 
der Bestimmungen der Genfer Konvention von 1864 auf Seekriege auf 
Grund der Zusatzartikel von 1868; 6. Neutralisierung der während der 
Seegefechte oder nach denselben mit der Rettung Schiffbrüchiger betrauten 
Rettungsschiffe oder Boote auf derselben Grundlage; 7. Revision der auf 
der Brüsseler Konferenz von 1874 ausgearbeiteten und bis heute nicht rati- 
fizierten Erklärung betreffend die Kriegsbräuche; 8. grundsätzliche Annahme 
der guten Dienste der Vermittlung und des fakultativen Schiedsgerichtsver- 
fahrens in dazu geeigneten Fällen zu dem Zwecke, bewaffnete Zusammen- 
stöße zwischen den Völkern zu vermeiden; Verständigung in Betreff der 
Anwendungsweise dieser Mittel und Aufstellung eines einheitlichen Ver- 
fahrens für ihre Anwendung. Selbstverständlich sollen alle Fragen, welche 
die politischen Beziehungen der Staaten und die durch die Verträge fest- 
gelegte Ordnung der Dinge betreffen, sowie im allgemeinen alle Fragen, 
die nicht direkt zu dem von den Kabinetten angenommenen Programm ge- 
hören, von den Beratungen der Konferenz durchaus ausgeschlossen bleiben. 
Indem ich an Sie, mein Herr, die Bitte richte, in Betreff dieser meiner 
Mitteilung die Befehle Ihrer Regierung einholen zu wollen, bitte ich Sie 
gleichzeitig, zur Kenntnis Ihrer Regierung bringen zu wollen, daß im Inte- 
resse der großen Sache, die meinem erhabenen Herrn so besonders am Herzen 
liegt, Seine kaiserliche Majestät glaubt, daß es nützlich sein würde, wenn 
die Konferenz nicht in der Hauptstadt einer der Großmächte tagt, wo so 
viele politische Interessen zusammenfließen, die vielleicht den Gang eines 
Werkes, an welchem alle Länder der Welt in gleichem Maße interessiert 
sind, beeinflussen könnten. 
 
	        
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