Rußland. (Januar 29.— Februar 15.) 273
destoweniger wünscht Rußland fortdauernd nicht weniger heiß, daß dieses
für die Völker so lästige und für die hohen Interessen der Menschlichkeit
so nachteilige Regime aufhören möge. Gerade diese Erwägung hat Ruß-
land zu der Initiative bewogen, die es in dieser Hinsicht ergriffen hat und
auf die es fortdauernd seine Anstrengungen in demselben Sinne richtet.
Es ist zu hoffen, daß das wohl verstandene Interesse der Völker und der
gesunde Menschenverstand über die Hindernisse siegen werden, welche sich
der Verwirklichung des russischen Vorschlages entgegenstellen könnten. Aber
es würde offenbar unlogisch sein, zu erwarten, daß Rußland seine Rüstungen
vermindere oder mit denselben einhalte, solange die in Aussicht genommene
Konferenz nicht zusammengetreten ist und die erhofften Resultate nicht er-
reicht hat. Solange die übrigen Staaten fortfahren, ihre Rüstungen zu
vermehren, wird Rußland natürlich verpflichtet sein, entsprechende Maß-
regeln zu ergreifen, ohne dabei seine unveränderlich friedlichen Absichten
aufzugeben und noch weniger die Hoffnung, zu sehen, daß die Entwickelung
der goßen humanitären Ideen und die wohlverstandenen Interessen der
ivilisierten Nationen zu dem für die Verwirklichung der hochherzigen Ab-
chten des Kaisers so wünschenswerten allgemeinen Einvernehmen der Mächte
führen werden.
29. Januar. (Finland.) Ein keiserlicher Ukas schreibt für
Senatoren, Gouverneure und höhere Beamte die Kenntnis der
russischen Sprache vor.
Anf. Februar. Alle eingeladenen Regierungen stimmen dem
Vorschlage zu, im Haag zur Abrüstungskonferenz zusammen-
zutreten.
15. Februar. Entwürfe zur Abänderung der Verwaltung
Finlands.
Der „Regierungsbote“ veröffentlicht ein kaiserliches Manifest, welches
die Gesetzgebung Finlands betrifft und ausführt, daß der Kaiser zur Be-
seitigung von Mängeln, welche bei legislativen Fragen zu Tage treten,
die das ganze Reich betreffen, es für nützlich anerkannt habe, zur
Ergänzung der bestehenden Bestimmungen eine bestimmte feste Ordnung
festzustellen für die Ausarbeitung und den Erlaß von Gesetzen, welche eine
allgemeine staatliche Bedeutung haben. Danach soll jeder Gesetzentwurf
nach Begutachtung desselben durch den finländischen Generalgouverneur,
den Minister-Staatssekretär von Finland und den finländischen Senat dem
Reichsrate durch die Reichsminister nebst einem Gutachten des Senats und
des Landtages vorgelegt werden. Der Reichsrat prüft aldann den Gesetz-
entwurf gemeinschaftlich mit dem finländischen Generalgouverneur, dem
Minister-Staatssekretär von Finland und den Mitgliedern des finländischen
Senats, welche von dem Kaiser ernannt werden.
Februar. März. (Finland.) Agitation gegen die Auf-
hebung der Sonderstellung und die Russifizierung.
Im Landtag protestieren die Vertreter aller Stände gegen die neuen
Militärgesetze, die die Erhöhung der Militärlasten bezwecken, also mit der
Friedenskonferenz im Widerspruch stehen. Ebenso protestieren sie gegen die
Aufhebung der administrativen Selbständigkeit, als verfassungswidrig. Der
Senat wird aufgefordert, die Veröffentlichung des kaiserl. Manifestes zu
versagen, der Senat beschließt jedoch auf Drängen des Gouverneurs
Europäischer Geschichtskalender. XI. 18