Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

Mebersicht der pelitischen Entwickelung des Jahres 1899. 317 
am Tugela und Modder-River erinnern und aufs neue die Waffen 
gegen ihre Bedränger ergreifen. 
Wie überall so beschäfligte sich auch in Deutschland die Deutsch- 
öffentliche Meinung mit diesen Vorgängen, so daß das Interesse land. 
an der inneren Politik zeitweilig ganz hinter der auswärtigen 
zurücktreten mußte. An der Unwichtigkeit der inneren Ereignisse 
lag es nicht. Der Reichstag hatte sich mit der Vermehrung der beeres- 
Armee um etwa 27000 Mann zu beschäftigen, wodurch die Militär-u####. 
verwaltung dem Ziel, jeden wehrfähigen Deutschen militärisch 
auszubilden, ein Stück näher kam. Die Regierung bewilligte dem 
Reichstage das oft geforderte Recht der jährlichen Festsetzung der 
Friedenspräsenzstärke, freilich mit der Einschränkung, daß die ge- 
forderte Erhöhung bis 1903 durchgeführt sein müsse, aber trotz 
dieses Entgegenkommens und trotz der von der Regierung betonten 
Notwendigkeit, die Mängel der zweijährigen Dienstzeit durch Ver- 
stärkung der Kadres zu beseitigen, um eine genügende Anzahl alter 
Mannschaften während der Rekrutenausbildung unter der Fahne 
zu haben, lehnte der Reichstag die verlangte Erhöhung ab. Er 
strich 7000 Mann Infanterie, erklärte sich aber zu weiteren Be- 
willigungen bereit, falls sich in den nächsten Jahren die Präsenz- 
stärke als unzulänglich erweise. Dieses Kompromiß wurde erst 
in der dritten Lesung gefunden, und während der vorhergehenden 
Beratungen schien es einen Augenblick, als ob die Differenz zwischen 
Regierung und Reichstag eine Auflösung zur Folge haben könne, 
aber da die öffentliche Meinung ganz im Gegensatz zu früheren 
Militärberatungen der Vorlage wenig Interesse entgegenbrachte, 
so war man auf beiden Seiten zum Paktieren geneigt. Es steht 
zu erwarten, daß die gestrichenen 7000 Mann in einer der nächsten 
Session nachbewilligt werden. 
Außer dem Militärgesetz sind noch zwei Vorlagen von großer 
Bedeutung erledigt worden: im Reiche der Gesetzentwurf zumurbeits- 
Schutze der Arbeitswilligen und in Preußen die Kanalvorlage. Dasäen 
Arbeitswilligengesetz war angekündigt worden schon am 6. Sep- 
tember 1898, in einer Rede des Kaisers, kam aber erst im Juni, 
kurz vor der Vertagung des Reichstags, zur Vorlage und Beratung. 
Die Zuchthausvorlage, wie der Entwurf von seinen Gegnern im
	        
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