Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

30     Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 27.)
 
wägungen trete ich dem Antrage entgegen, die große Bedeutung Goethes 
lasse ich dabei ganz beiseite. Auch steht er wohl nicht als Vorbild des 
Patriotismus für die jetzt wiedergewonnenen Reichslande da. Will Straß- 
burg das Denkmal, so möge es die Sache zu Ende führen; die Ehre wird 
dann für Straßburg um so größer sein, und der Anteil des deutschen 
Volkes kann sich ja allerorts klingend ausdrücken. Gefährlich ist der Antrag 
auch wegen der Konsequenzen. Kann nicht morgen oder übermorgen ein 
Antrag kommen (Zuruf: Heine!) — wenn Sie wollen, gewiß! — irgend 
einem andern großen Mann ein Denkmal aus Reichsmitteln zu errichten 
oder dazu beizutragen? Gerade der gegenwärtige Etat enthält schon eine 
Reihe von Forderungen für Kunst und Wissenschaft, wir müssen daher 
um so schärfer darauf achten, daß auf diesem neuen Wege nicht fehlgegangen 
wird. Ich lehne den Antrag ab, wenn ich auch in den Reichslanden 
deswegen als Philister signalisiert herumlaufen muß. 
Der Antrag wird darauf der Budgetkommission überwiesen. 
               2 7. Januar. (Lippe-Detmold.) Der Graf-Regent hält 
bei der Feier von Kaisers Geburtstag folgende Rede (vgl. Jahrg. 
1898 S. 141, 172): 
                 Es ist für mich selbstverständlich, daß persönliche Erfahrungen noch 
so schmerzlicher Art, wie solche mir das letztverflossene Jahr gebracht hat, 
und wie sie zu meinem tiefsten Bedauern auch der Oeffentlichkeit preis- 
gegeben worden sind, nie und nimmermehr einen Einfluß ausüben können 
auf das freudige Bekenntnis meiner Treue zu Kaiser und Reich. Reichs- 
verdrossenheit und partikularistische Unterströmungen haben in meinem 
Hause und Herzen keine Stätte. In allen Schwierigkeiten und Kämpfen, 
welche meiner Regierung bereitet werden, bewahre ich festes, ruhiges Ver- 
trauen auf Gott, pflichtgemäßes Festhalten an meinem Recht und un- 
erschütterlichen Glauben an seinen Sieg. Ob dieses Recht noch durch einen 
Akt der Landesgesetzgebung ausdrücklich zu deklarieren sei, ist für mich eine 
Sorge rein landesväterlicher Art. So wünschenswert und ersprießlich es 
auch wohl für die endliche Beruhigung, meines Landes erscheinen dürfte, 
das, was längst in demselben als das Recht meines Hauses erkannt und 
bezeugt ist. gesetzlich festzulegen, so wenig bedarf meine Familie eines solchen 
gesetzgeberischen Aktes. Unser Recht von Gottes Gnaden steht auch ohne 
dies absolut fest und hat nach meinem Vertrauen seine stärkste Garantie 
im Bestande des Deutschen Reiches selbst. So weit dieses Recht einer An- 
erkennung durch menschliche Antoritäten bedurfte, so ist ihm solche reichlich 
zu Teil geworden. Völlig erschöpfend schon im Schiedsspruche von 1897. 
Zugleich gedenke ich mit tiefster Ergriffenheit in diesem Augenblick unseres 
heimgegangenen großen Bismarck, der mir wiederholt und gerade in den 
letzten Jahren seine feste Ueberzeugung von dem Rechte meines Hauses be- 
stätigt hat. Endlich kann ich mitteilen, daß erst vor wenigen Wochen noch 
eine der höchstangesehenen deutschen Juristenfakultäten, die der Universität 
Leipzig, in einem ausführlich begründeten wissenschaftlichen Gutachten ihre 
einmütige Rechtsüberzeugung dahin ausgesprochen hat, daß jede Anfechtung 
des Rechts meiner Söhne auf die Thronfolge im Fürstentum Lippe aus 
mehreren Gründen zu verwerfen sei, von denen jeder für sich stark genug 
wäre, diese Verwerfung allein zu tragen. Die Verwirklichung dieses von 
so vielen und hohen menschlichen Autoritäten erkannten Rechts lege ich getrosft 
in Gottes Hand. Sollte mir aber auch die erhoffte Freude nicht mehr 
beschieden sein, seine allgemeine Anerkennung selbst zu erleben, so wird mich 
das nicht abhalten, mit voller landesväterlicher Liebe der Regierung meines
	        
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