Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

       Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 31.)            33
 
wir brauchen a deep port and a free port for ever. Meine Herren, ein 
sicherer tiefer Hafen und Handelsfreiheit, das ist eigentlich das ganze 
Programm, mit dem auch wir an die Entwicklung von Kiautschou heran- 
getreten waren. Die Herren werden aus der dem Hause vorgelegten 
Denkschrift entnehmen können, wie weit die Hafenarbeiten vorwärtsgeschritten 
sind, und inwieweit wir uns bemüht haben, die Hafenarbeiten derartig zu 
fördern, daß wir auf sicherer Grundlage weiter bauen können. Der 
Denkschrift sind Karten und Skizzen beigegeben, aus denen sich die Lage 
der voraussichtlichen Stadtentwicklung ergibt. Ich darf hinzufügen, daß 
augenblicklich der erste Tiefbautechniker der Marine sich auf dem Wege 
nach Kiautschou befindet. um mir über die Zweckmäßigkeit der gerade für 
den Hafenbau getroffenen Maßregeln zu berichten. Daß diese Maßregeln 
wirklich zweckmäßig sind, daß die Einrichtungen den militärischen, wirt- 
schaftlichen und maritimen Rücksichten entsprechend getroffen werden, dazu 
bedarf es einer gewissen Zeit, und Uebereilung könnte in dieser Beziehung 
nur schaden. In wirtschaftlicher Beziehung, meine Herren, ist die größte 
Handelsfreiheit und die größte Gewerbefreiheit für Kiautschou gesichert 
worden, die nur irgend jemals eine Kolonie gehabt hat. Das ganze Gebiet 
von Kiautschou bis an die Grenze, wo unsere neutrale Zone anfängt, ist 
Freihafengebiet, und die Gewerbefreiheit, die angeordnet ist, wird nur 
begrenzt durch die notwendigen hygienischen Anforderungen und die An- 
forderungen der allgemeinen Ordnung und Sicherheit. Die Marinever- 
waltung hat auch in Bezug auf die Steuern sich die größte Zurückhaltung 
auferlegt. Das war notwendig, weil nichts verkehrter gewesen wäre, als 
den Prozeß der Erstarkung dieser Kolonie durch ein zu eiliges Heraus- 
ziehenwollen von Erträgen in Gefahr zu bringen. Eine Ueberlastung mit 
Steuern in der Anfangsperiode würde den ganzen Zweck der Besitzung in 
Frage gestellt haben, und die Mittel, die nach Kiautschou vom Reiche 
hätten hineingesteckt werden müssen, würden ins Wasser geworfen sein. 
Wie die Herren indessen aus der Denkschrift entnehmen werden, ist auf 
der andern Seite von der Marineverwaltung die Möglichkeit, gewisse Ein- 
nahmen in Zukunft zu erzielen, nicht außer Augen gelassen worden. Die 
Landpolitik, die wir hier verfolgt haben, dürfte den Beweis dafür abgeben. 
Ich möchte aber ausdrücklich betonen, daß bei der von uns befolgten Land- 
politik keineswegs das finanzielle Interesse in den Vordergrund geschoben 
worden ist, sondern daß das in zweiter Reihe gestanden hat. Die Steuer auf 
den Grund und Boden in Kiautschou ist, wie Sie sehen, die einzige wesentliche 
Steuer, die den Europäer trifft. Es ist nur zu wünschen, daß die deutschen 
Ansiedler, die deutschen Kaufleute, ein ähnliches Einsehen für die Not- 
wendigkeit eines derartigen Ertrages für das Gouvernement haben mögen, 
wie seinerzeit die englischen Kaufleute in Hongkong, an deren Spitze 
Herr A. Matthiesen der englischen Regierung den Vorschlag machte, den 
völligen Verzicht auf Zolleinnahmen zu ersetzen durch eine Belastung des 
Grund und Bodens, welche ja hier die Kaufleute trifft. Meine Herren, 
wir haben bei der Verwaltung des Landes von dem englischen Verfahren 
der Verpachtung, der sogenannten Lease, abgesehen, wir haben eine Art 
Verkauf eingerichtet, bei welchem dem Reich ein Anteil an dem steigenden 
Wert des Grund und Bodens gesichert ist. Wir haben mit diesem Ver- 
kaufsmodus dem eingewurzelten Gefühl des deutschen Volkes Rechnung ge- 
tragen, das gern auf eigener Scholle sitzen will. Meine Herren, neben den 
dringenden wirtschaftlichen Aufgaben, die in Fülle im ersten Halbjahr an 
uns herangetreten sind, haben die allgemeinen Kulturaufgaben zurücktreten 
müssen. Indessen sind auch hier gute Anfänge gemacht worden. In erster 
Linie kommt hierbei das Missionswesen in Betracht; wir sind den Mis- 
         Europäischer Geschichtskalender. XI.                                                                         3
	        
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