Das Denische Reith und seine einzelnen Glieder. (Februar 16.) 47
16. Februar. Der Reichstag verweist nach viertägiger
Debatte die Novelle zum Invalidenversicherungsgesetz an eine
Kommission von 28 Mitgliedern.
16. Februar. (Reichstag.) Interpellation über die Aus-
weisung dänischer Unterthanen. (Vgl. S. 28.)
Abg. Johannsen (Däne) befragt den Reichskanzler: Erachtet der
Reichskanzler die anßerordentlichen Maßregeln und die damit in Ver-
bindung stehenden Ausweisungen dänischer Unterthanen, welche von der
preußischen Staatsregierung in den nordschleswigschen Kreisen ergriffen
worden sind, für gerechtfertigt und den Interessen des Reichs entsprechend?
Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst: Das Recht
der Ausweisung von Ausländern ist der Ausfluß eines Landeshoheitsrechtes
der einzelnen Bundesstaaten, dessen Ausübung weder nach der Reichs-
verfassung noch nach den Reichsgesetzen der Beaufsichtigung seitens des
Reichs unterliegt. Die Bestimmung des Art. 4 Nr. 1 der Reichsverfassung,
wonach die Fremdenpolizei der Beaussichtigung seitens des Reichs und
dessen Gesetzgebung untersteht, kann auf die Ausweisung von Ausländern
nicht bezogen werden. Diese Bestimmung ist im Jahre 1867 auf Antrag
des Abg. Michaelis in die Verfassung des Norddeutschen Bundes auf-
genommen worden. Die Absicht des Antrags ging lediglich dahin, die
Möglichkeit auszuschließen, daß etwa auf dem Wege der einzelstaatlichen
Fremdenpolizei reichsgesetzliche Bestimmungen über Indigenat und Frei-
zügigkeit illusorisch gemacht werden könnten. Dagegen ist eine Einschränkung
des Rechts der Einzelstaaten zur Ausweisung von Ausländern aus dieser
Bestimmung nicht abzuleiten. Der Geschäftskreis des Reichskanzlers wird
mithin durch die von der königlich preußischen Regierung verfügten Maß=
regeln, welche den Gegenstand der Interpellation bilden, nicht berührt. Aus
diesem Grunde muß ich es ablehnen, die Interpellation zu beantworten und
auf dieselbe sachlich einzugehen. — Sollte eine Besprechung derselben statt-
finden, so würden sich die Vertreter der verbündeten Regierungen daran
nicht beteiligen können.
Abg. Johannsen kritisiert die Ausweisungen, die nur erfolgt seien,
um die Dienstherren der Ausgewiesenen zu schädigen. Anstatt Ruhe werde
man dadurch Unruhe schaffen. Am folgenden Tage kritisiert Abg Haenel
(fr. Vg.) die staatsrechtlichen Ausführungen des Reichskanzlers. Durch die
Ueberweisung der Fremdenpolizei an das Reich sollte verhindert werden,
daß die Einzelstaaten in die Beziehungen des Reiches zu den fremden Staaten
eingreisen. Gewiß ist die Ausweisung ein Souveränitätsrecht, ebenso wie
die anderen Souveränitätsrechte, die den Einzelstaaten geblieben sind, z. B.
das Recht der Ernennung von Gesandten 2c. Aber es handelt sich hierbei
um ein Recht, durch dessen Ausübung das Verhältnis des Deutschen Reiches
zu den fremden Staaten berührt wird. Was bedeutet die nordschleswigsche
Frage? Ein Landstrich hat sich mit Preußen, mit Deutschland noch nicht
verschmolzen. Wenn das eine Gefahr der Abreißung bedenutet, trifft der
Verlust bloß Preußen? Trifft er nicht das Deutsche Reich! Ist die
Frage deshalb nicht eine, die vor den Reichstag gehört? Die norddeutsche
Verfassung hat Schleswig erst zu Deutschland gebracht. Der Vertrag mit
Oesterreich von 1878 wegen Aufhebung des Art. V des Prager Friedens
ist lediglich dem Reichstage vorgelegt worden und nicht dem preußischen
Abgeordnetenhause. Wir haben deshalb vollständig das Recht, kraft unserer
eigenen Kompetenz die Frage in ihrem ganzen Umfange gründlich zu erörtern.
Abg. v. Tiedemann (R.): Die dänische Agitation sei künstlich gezüchtet