Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 7.—9./18.) 55
der jenseitigen Ueberzeugung, d. h. der Ueberzeugung derjenigen Staaten,
welche nicht auf dem Standpunkte gestanden haben, daß Bayern ein Reservat-
recht, Bayern in Rücksicht auf die besondere Stellung einer Armee gewährt
werden konnte, und andererseits, daß Bayern das erhält, was Bayern ver-
langen muß, ohne seinen grundsätzlichen Standpunkt zu verlassen und ohne
seinem Recht irgend etwas zu vergeben. Was die weitere Frage des Herrn
Abg. Schädler wegen der Garantieen betrifft, so hat der Herr Reichskanzler
bereits diese Frage beantwortet. Darin, daß in den Motiven ausdrücklich
der Vertragscharakter, der dem Gesetz zu Grunde liegt, anerkannt ist, und
in der Erklärung, daß in dem Bundesrat Einmütigkeit darüber bestand,
daß eine spätere Aenderung, wenn sie notwendig werden sollte nicht ohne
eine neue Vereinbarung mit Bayern vorgenommen werden könne, liegt die-
jenige Garantie, welche Bayern verlangen konnte und verlangen mußte und
im vollen Maße damit erhalten hat. — Die Vorlage wird in 1. und 2.
Beratung genehmigt.
7. März. Der Reichstag verweist den Entwurf eines
Hypothekenbankgesetzes an eine Kommission.
8. März. (Reichstag.) Zweite Beratung der Militär-
vorlage in der Budgetkommission.
Die Kommission genehmigt die Mehrforderungen für die Artillerie
und von den Forderungen für die Kavallerie beschließt sie 17 Eskadrons
Jäger zu Pferde. Die Friedenspräsenzstärke wird auf 495000 Mann fest-
gesetzt, die i. J. 1903 erreicht werden soll. Die Vorlage hatte 7006 Mann
mehr verlangt. — Wegen der Ablehnung der 7000 Mann wird in der
Presse vielfach von der Möglichkeit einer Reichstagsauflösung gesprochen.
9. März. (Reichstag.) Erste Beratung des Gesetzentwurfs
betreffend Abänderung und Ergänzung des Strafgesetzbuchs.
In Verbindung damit wird beraten der Antrag des Zentrums, der fast
denselben Inhalt hat wie die Vorlage. Letztere ändert die Vorschriften
über die Kuppelei (§§ 180 und 181), schafft Strafvorschriften für die Zu-
hälter (§ 181a) und verschärft die Vorschriften über das Verkaufen und
Feilhalten von Druckschriften (§§ 184, 184a und 184b). — Der Antrag
des Zentrums enthält außerdem, den Kommissionsbeschlüssen der früheren
Session entsprechend, eine Aenderung bezüglich der sittlichen Gefährdung
von Arbeiterinnen durch die Arbeitgeber unter Mißbrauch des Arbeits-
oder Dienstverhältnisses (§ 182a) und eine Strafbestimmung für Personen,
welche ansteckende Krankheiten verbreiten. — Endlich wird in Verbindung
hiermit der Antrag des Abg. v. Stumm verhandelt: den Reichskanzler zu
ersuchen, bei Gelegenheit der in Aussicht stehenden Revision des Strafgesetz-
buches auf die Verschärfung derjenigen Strafen Bedacht zu nehmen, welche
für Sittlichkeitsverbrechen, insbesondere für die gegen Kinder gerichteten,
vorgesehen sind.
Gegen die Zentrumsanträge erklären sich die meisten Redner. Die
Vorlage und die Anträge werden an eine Kommission verwiesen.
9./18. März. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Kultus-
etat. Parität. Volksschule und Polenfrage.
Abg. Dasbach (Z.) klagt über die Fesselung des Ordenswesens.
Abg. Hackenberg (nl.) beschwert sich, daß der Staat die evangelische Kirche
gegen die katholische zurücksetze. — Am 14. fordert Abg. Frhr. v. Heere-