Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 15. 16.) 63
gelten auch für das Zentrum parteipolitische Rücksichten nicht. Wir sind
der Meinung, daß auch mit dem Abstrich die Vorlage noch ausreichen
wird, das zu erreichen, was erreicht werden soll. Sollte uns nachgewiesen
werden, daß die Truppen oder die Durchführung der zweijährigen Dienst-
zeit gefährdet wird, so würden wir bei späterer Gelegenheit nachzuhelfen
geneigt sein. Zur Zeit ist uns ein solcher Nachweis nicht geliefert.
Abg. Richter (fr. Vp.): Die Frage der Abkommandierung von
Mannschaften erscheine viel wichtiger als die Streichung der 7000 Mann.
Wenn die Auflösung erfolgte, so würde man sagen, daß das nicht wegen
der 7000 Mann geschieht, sondern aus anderen Gründen. Man will eine
Zuchthausvorlage im wahren Sinne des Wortes durchbringen, man will
das Wahlrecht ändern; der Wahlkampf wird sich dann darum drehen, ob
ein selbstherrliches Regiment eingeführt werden soll, oder ob ein selbständiger
Reichstag bestehen bleibt.
Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst: Ich muß
die Behauptung, daß an maßgebender Stelle die Tendenz bestände, Konflikte
herbeizuführen, mit Entschiedenheit zurückweisen, ebenso wie ich die Be-
hauptung zurückweise, daß Velleitäten an der maßgebenden Stelle herrschen.
Die maßgebende Stelle wird geleitet durch die Sorge für die Sicherheit
des Reichs und ist sich auch der Verantwortung dieser Sorge vollkommen
bewußt.
In namentlicher Abstimmung wird die Regierungsvorlage (502 506
Gemeine) mit 209 gegen 141 Stimmen abgelehnt. Dafür stimmen die
Deutschkonservativen, die Reichspartei, die Nationalliberalen, die Freisinnige
Vereinigung mit Ausnahme des Abg. Haenel, die Mitglieder des Bundes
der Landwirte und von den Wilden die Abgg. Ahlwardt und Smalakys.
Dagegen stimmen die Sozialdemokraten, die deutsche und die freisinnige
Volkspartei, das Zentrum, die Mitglieder des bayerischen Bauernvereins,
der Hospitant der freisinnigen Vereinigung Riff, der Hospitant der deutschen
Reformpartei Köhler und die Wilben Sabin und Schwarz.
Die Beschlüsse der Kommission (495 500 Mann) werden gegen die
Stimmen des Zentrums und der freisinnigen Vereinigung ebenfalls ab-
gelehnt.
15. März. (Preußen.) Der Provinziallandtag von Posen
nimmt die Vorlage betreffend die Kaiser Wilhelm-Bibliothek und
das Museum einstimmig an. Auch die polnischen Mitglieder
stimmen sämtlich dafür.
16. März. (Reichstag.) Dritte Beratung der Militär-
vorlage.
Die Abgg. Lieber und Genossen beantragen, die in der zweiten
Lesung abgelehnten Bestimmungen über die Friedenspräsenzstärke und über
die Zahl der Formationen nach den Beschlüssen der Kommission wieder
herzustellen und eine Präsenzstärke von 495500 (statt 502 506) Mann zu
bewilligen; ferner bezüglich der Formationen zu bestimmen, daß in den
482 Eskadrons für die Kavallerie diejenigen Formationen inbegriffen sein
sollen, die zur Erhaltung und Weiterbildung der Spezialtruppe der Jäger
zu Pferde (Meldereiter) erforderlich sind. Die Kommission hat ferner
folgende Resolutionen vorgeschlagen: I. Die verbündeten Regierungen zu
ersuchen, eine Nachweisung der von der Militärverwaltung für Zwecke der
Zivilverwaltung abgegebenen Wachtmannschaften dem Reichstag zugehen
zu lassen II. Die verbündeten Regierungen um eine Mitteilung darüber