Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 13./18.) 79
befürchten zu müssen, daß ihm von seiten anderer Landesteile Widerspruch
entgegengesetzt wird. Und nun sollte an der Elbe damit Halt gemacht
werden? Jenseits der Elbe sollte alles auf die Eisenbahnen angewiesen
sein? Das kann wohl kaum ernsthaft gemeint sein. Der Wettbewerb weist
direkt auf die Herstellung von Wasserstraßen hin, die bei allen Völkern die
Vorbedingung zur wirtschaftlichen Entwicklung gewesen ist. Diese Projekte
durchgeführt zu haben, ist nicht das geringste Verdienst der großen Herrscher
aus dem Hohenzollernhause. Es ist unnatürlich, wenn der Güteraustausch
zwischen dem Osten und Westen sich teilweise über das Meer hin vollzieht.
Gerade bei uns, wo Eisenbahnen und Kanäle in der Hand des Staates
vereinigt sind, liegen die Bedingungen für den Ausbau der Wasserstraßen
am günstigsten. Durch diesen Ausbau werden die Bedenken, die man auf
dem finanziellen und wirtschaftlichen Gebiete gegen die Staatsbahnen
geltend machen kann, am besten beseitigt. Bereits bei der Etatsberatung
habe ich darauf hingewiesen, daß die Eisenbahnverwaltung alle Ursache
hat, sich nach einer Entlastung umzusehen, wenn sie den steigenden Verkehrs-
zuwachs bewältigen will. Es gibt in der ganzen Welt, auch in England
nicht, ein räumlich so begrenztes Feld, wie das Dortmunder Revier, auf
dem sich ein so riesiger Verkehr entwickelt. Eine erhebliche Vermehrung
der Eisenbahnen im dortigen Gebiete würde auf Schwierigkeiten stoßen
wegen der Tracierung und wegen der hohen Kosten. Nur weil der Staat
einheitlich disponieren kann, konnte er den Verkehr leiten; die drei Eisen-
bahnen, die früher dort arbeiteten, hätten den Verkehr nicht aufrecht er-
halten können. Es muß die Entlastung der Eisenbahnen durch eine Wasser-
straße gesucht werden, wofür sich 1883 bereits mein Amtsvorgänger May-
bach ausgesprochen hat, der jedenfalls als Autorität auf dem Gebiete des
Eisenbahnwesens anerkannt werden wird. Die stückweise Ausführung des
Kanals ist vom Hause 1895 mißbilligt worden, gegen eine solche Stücken-
durchführung würden mit Recht alle die Bedenken, welche von den land-
wirtschaftlichen Interessenten vorgebracht werden, in größerem Maße geltend
gemacht werden können als gegen das ganze Projekt. Von der Wichtigkeit
des Kanals zeugen die schweren Opfer, welche die beteiligten Landesteile
zu bringen bereit sind. Da die Kosten des Kanals viel höher veranschlagt
sind als die Kosten des Dortmund-Emskanals, so wird eine Ueberschreitung
der Kosten nicht stattfinden. Die Kosten würden aber noch größer sein,
wenn dem Verkehrsbedürfnis Rechnung getragen werden sollte durch die
Anlage von Güterschleppbahnen. Der Uebergang eines Teiles der Trans-
portmengen auf den Kanal wird allerdings für die Eisenbahnen eine gewisse
Einbuße zur Folge haben: aber durch die Steigerung des Verkehrs während
der Bauzeit wird diese Einbuße wohl wieder ausgeglichen werden. Der
Kanalverkehr wird sich nicht bloß beschränken auf den jetzt vorhandenen,
jetzt von den Eisenbahnen bewältigten Verkehr, sondern er wird auch durch
den Kanal selbst vermehrt werden. Das hat sich bei anderen Kanälen gezeigt,
daß der überwiegende Teil des Zuwachses an Verkehr von neuen Produktions-
stätten herrührt. Durch die Ausführung des Kanals werden die Wasser-
verhältnisse im Interesse der Landwirtschaft erheblich verbessert werden.
Die Gegner des Kanals machen geltend, daß andere Landesteile dadurch
geschädigt werden. Aus Schlesien macht man die Forderung geltend, daß
Kompensationen gewährt werden sollen. Die Staatsregierung kann solche
Forderungen nicht als berechtigt anerkennen. Wenn aber nachweisbar in-
folge der Verschiebungen der wirtschaftlichen Verhältnisse Notstände ein-
treten werden, so wird die Regierung bereit sein, den Notständen abzuhelfen.
Dafür kann die Regierung sich auf die Vergangenheit berufen, sie hat
immer alles gethan, um solchen Notständen abzuhelfen. Wir wollen erst