Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 15.—17.) 87
unserer Landsleute auf Samoa zu schützen, dann aber, daß wir auf Samoa
vertragsmäßige Rechte besitzen, deren Aufrechterhaltung das deutsche Volk
als eine nationale Ehrensache empfindet. (Sehr richtig! Bravol) Wir ver-
langen auf Samoa nicht mehr, als uns dort vertragsmäßig zusteht. Diese
unsere vertragsmäßigen Rechte aber dürfen und werden wir nicht verkürzen
lassen. (Lebhafter Beifall.)
Der Reichstag verzichtet auf eine Besprechung der Erklärung; die
meisten Parteiführer erklären sich gegen die scharfen Aeußerungen des
Abg. Lehr.
In der Presse wird die Erklärung Bülows im allgemeinen zu-
stimmend besprochen und die Rede Lehrs vielfach getadelt. Einige Organe,
wie die „Tägl. Rundschau“, rügen die Unterlassung der Besprechung; der
Reichstag habe in dieser nationalen Frage zu einer imposanten Kundgebung
kommen müssen.
15. April. Der Reichstag verweist die Vorlagen über
Änderungen im Postwesen nach viertägiger Debatte an eine Kom-
mission. — Es handelt sich vorwiegend um die Beseitigung der
Privatpostanstalten, die Herabsetzung des Portos, den Postzeitungs-
tarif und Änderungen im Telegraphenwesen.
Mitte April. (Preußen.) Der Regierungspräsident von
Schleswig erläßt einige Vorschriften über die Ausweisung von
Dänen, die die Kompetenzen der Lokalbehörden beschränken.
15. April. (Baden.) Die Erste Kammer genehmigt das
von der Zweiten bereits angenommene Pfarrdotationsgesetz. Hier-
durch werden 150000 Mk. zur Aufbesserung der Gehalte der katho-
lischen Pfarrer bewilligt.
17. April. (Berlin.) Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt
offiziös über die Beamtenvereine:
„Einige von den Beamten des Reiches und Preußens gebildete Ver-
eine haben eine bedauerliche und bedenkliche Haltung eingenommen. So
fern auch der Regierung die Absicht liegt, den Beamten die Bildung von
Vereinen und Gesellschaften zur Berbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage,
zur Hebung der geistigen und sittlichen Ausbildung ihrer Mitglieder und
der Förderung ihrer Standesinteressen zu verwehren oder deren Petitions-
recht zu beschränken, so bestimmt muß doch von kaiserlichen und königlichen
Beamten erwartet und verlangt werden, daß die Schranke innegehalten
wird, welche durch die geleisteten Eide und die amtliche Stellung gegeben
ist. Die Teilnahme an Vereinen, die hiemit im Widerspruch stehende Be-
strebungen befolgen, insbesondere welche beabsichtigen, durch einen massen-
haften Zusammenschluß von Vereinsmitgliedern einen Druck behufs Durch-
setzung von Forderungen auf die vorgesetzten Behörden zu üben, ist, wie
die Beamten bei objektiver Prüfung selbst einsehen müssen, für sie nicht
statthaft. Die kaiserlichen und königlichen Beamten werden, wie die Regie-
rung zuversichtlich vertraut, auch ohne daß sie von den vorgesetzten Behörden
auf die Unzulässigkeit eines solchen Verhaltens besonders aufmerksam ge-
macht werden, sich von derartigen Bestrebungen fernhalten und, falls das
Bewußtsein der Beamtenpflicht vor der Teilnahme an denselben nicht ohne-
hin bewahrt, zukünftig die bezeichneten Vereine meiden, die betreffenden