Das Denisqhe Reiqh und seine einjelnen GElieder. (Dezember 27.) 173
den Vertretungen der wirtschaftlichen Interessenverbände gewählt werden.
Der Regierung kann es nur erwünscht sein, wenn über die von ihr als
Ergebnis reiflicher Erwägungen zur Sache eingenommene Stellung in der
öffentlichen Meinung keinerlei Zweifel gelassen werden und wenn in den
weiten Kreisen des Volkes die Ueberzeugung zum Durchbruch gelangt, daß
in absehbarer Zeit die Einführung des direkten gleichen Landtagswahlrechtes
nur verwirklicht werden kann, falls durch wirksame Ergänzungen der ge-
dachten Art eine Gewähr für die ruhige Entwicklung des öffentlichen Lebens
gegeben wird. Schon seither haben sich die Herren Amtsvorstände, wie ich
mit Befriedigung wahrgenommen habe, von allen Bestrebungen fern gehalten,
welche auf die Erzeugung einer der Einführung des ganz unbeschränkten
gleichen direkten Landtagswahlrechtes günstigen Stimmung gerichtet sind.
Ich bin den Herren Amtsvorständen dankbar, wenn sie in Zukunft überall,
wo sich ein Anlaß oder auch nur eine Gelegenheit dazu bietet, zur Auf-
klärung der öffentlichen Meinung über die Absichten der Regierung bei-
tragen und dabei auch namentlich hervorheben, daß die Regierung keines-
wegs einer Aenderung des indirekten Wahlsystems und der Einführung des
direkten Wahlrechts abgeneigt sei, sondern nur dem widerstrebe, daß das
direkte gleiche Wahlrecht unter Voraussetzungen eingeführt werde, welche
für den Fortgang eines gesunden konstitutionellen Lebens wesentliche Ge-
ahren mit sich bringen. Bei diesem Anlaß ersuche ich diejenigen Herren
Amtsvorstände, in deren Bezirk ein amtliches Verkündigungsblatt seinen
Sitz hat, auch der Haltung dieses Blattes in der Frage der Wahlrechts-
reform dauernd ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Selbstverständlich ist nichts
dagegen zu erinnern, wenn diese Blätter die für die verschiedenen Möglich-
keiten der Wahlrechtsreform sprechenden Gründe erörtern und zu dieser
Frage nach freier Ueberzeugung Stellung nehmen. Nicht zu verkennen ist
aber, daß in dem Publikum, welches vielfach das der Regierung in Bezug
auf die Haltung dieser Blätter zustehende Maß der Einwirkung überschätzt,
irrige Ansichten über den Ernst und die Festigkeit der Regierung bei Ein-
haltung des gekennzeichneten Standpunktes erzeugt werden können, wenn
ein amtliches Verkündigungsblatt in auffälliger Weise es unterläßt, die
Gründe mitzuteilen, die für eine Verbindung des direkten gleichen Wahl-
rechtes mit jenen zusätzlichen Bestimmungen sprechen, wenn der Abdruck der
als offiziell gekennzeichneten Aeußerungen der „Karlsruher Zeitung" über
die Wahlrechtsreformfrage oder der von dem Präsidenten des Ministeriums
darüber amtlich gehaltenen Rede mit krittelnden Bemerkungen begleitet oder
ganz unterlassen, wenn andauernd in den Blättern versucht wird, auf die
öffentliche Stimmung im Sinne der Einführung des unbeschränkten direkten
Wahlrechts einzuwirken. Nach meinen Wahrnehmungen gibt es in allen
Landesteilen einzelne amtliche Verkündigungsblätter, welche schon seit
längerer Zeit durch eine derartige Haltung die Absichten der großherzoglichen
Regierung kreuzen und die öffentliche Meinung verwirren. Ich habe nicht
im mindesten die Absicht, die Unternehmer und Schriftleiter solcher Blätter
in der Bildung und Kundgebung ihrer freien Ueberzeugung zu hindern
und bin gerne bereit, denselben hiefür den weitesten Spielraoum zu lassen.
Dies kann am besten dadurch geschehen, daß für Bezirke, in denen das amt-
liche Verkündigungsblatt eine derartige Haltung einnimmt, das Verkün-
digungswesen in der Weise geregelt wird, daß die Veröffentlichung der amt-
lichen Anzeigen dem Unternehmer eines Blattes übertragen wird, welches
sich lediglich auf amtliche und sonstige Anzeigen beschränkt und keinerlei
politische Mitteilungen bringt. Eine solche Regelung entspricht einem mehr-
fach von der Zweiten Kammer des Landtags geäußerten Wunsche. Wenn
ich auch nicht ohne Bedenken darüber bin, ob ein solches Verkündigungs-