Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechzehnter Jahrgang. 1900. (41)

174 JNas Neuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 29.) 
blatt überall lebensfähig sein und den Wünschen und Bedürfnissen des 
Kublikums entsprechen würde, so scheint mir die Anregung der Zweiten 
ammer doch so beachtenswert, daß für einzelne Bezirke zunächst einmal 
der Versuch mit der Einführung dieses Systems gemacht werden sollte. 
Zweckmäßig würde dies derart geschehen, daß möglichst für mehrere nahe 
gelegene Amtsbezirke, wenn auch nicht immer gerade für das Gebiet eines 
Kreisverbandes, ein solches auf Anzeigen beschränktes Amtsblatt bestimmt 
würde. Ich ersuche die Herren Amtsvorstände, diese Frage in Erwägung 
zu ziehen, und zwar namentlich in denjenigen Bezirken, wo die Haltung 
der gesinen amtlichen Verkündigungsblätter aus den obigen Gründen oder 
in sonstigen Beziehungen zu Beanstandungen Anlaß gibt oder wo überhaupt 
aus sonstigen Rücksichten ein Wert nicht darauf zu legen ist, daß die Eigen- 
schaft des Blattes als amtliches Verkündigungsblatt aufrecht erhalten werde. 
In nationalliberalen Kreisen wird der Erlaß scharf kritifiert. 
Ende Dezember. Angriffe auf den Staatssekretär Graf Po- 
sadowsky. 
In vielen Zeitungen, namentlich der Linken, wird die Frage erörtert, 
ob Graf Posadowsky demnächst zurücktreten werde. Die Gerüchte knüpfen 
häufig an die 12000 Mark-Angelegenheit an. Nach der „Tägl. Rundschau“ 
kann diese Angelegenheit kein Grund zum Rücktritt sein, weil sie durch die 
Erklärungen Bülows und Posadowskys selbst erledigt sei; die Angriffe und 
Rücktrittsgerüchte gingen vielmehr vom Zentralverband Deutscher Industrieller 
aus, weil Posadowsky sich bemühe, eine vom Zentralverband unabhängige 
Tolitir zu betreiben. Der Zentralverband befürchte, daß Posadowsky bei 
Grneuerung der Handelsverträge der Landwirtschaft auf Kosten der Industrie 
Vorteile verschaffen und hoffe, daß Graf Bülow ohne Posadowsky den 
Industriellen mehr entgegenkommen werde. 
29. Dezember. (Preußen.) Der Kultusminister erläßt 
folgende Verfügung über medizinische Versuche an Menschen: 
I. Die Vorsteher der Kliniken, Polikliniken und sonstigen Kranken- 
anstalten weise ich darauf hin, daß medizinische Eingriffe zu anderen als 
diagnostischen, Heil- und Immunisierungszwecken, auch wenn die sonstigen 
Voraussetzungen für die rechtliche und sittliche Zulässigkeit vorliegen, doch 
unter allen Umständen ausgeschlossen sind, wenn 1. es sich um eine Person 
handelt, die noch minderjährig oder aus sonstigen Gründen nicht vollkommen 
geschäftsfähig ist; 2. die betreffende Person nicht ihre Zustimmung zu dem 
Eingriffe in unzweideutiger Weise erklärt hat; 3. dieser Erklärung nicht 
eine sachgemäße Belehrung über die aus dem Eingriffe möglicher Weise 
hervorgehenden nachteiligen Folgen vorausgegangen ist. II. Zugleich be- 
stimme ich, daß 1. Eingriffe dieser Art nur von dem Vorsteher selbst oder 
mit besonderer Ermächtigung desselben vorgenommen werden dürfen; 2. bei 
jedem derartigen Eingriffe die Erfüllung der Voraussetzungen zu I. Nr. 1—8 
und II. Nr. 1 sowie alle näheren Umstände des Falles auf dem Kranken- 
blatte zu vermerken sind. III. Die bestehenden Bestimmungen über medi- 
zinische Eingriffe zu diagnostischen, Heil- und Immunisierungszwecken werden 
durch diese Anweisung nicht berührt.
	        
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