Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 9. 11.) " 
raum nicht mehr ausreicht. Eine Vorlage, welche dem Bedürfnisse nach 
einer Verlängerung der Studiendauer unter gleichzeitiger Abkürzung des 
juristischen Vorbereitungsdienstes Rechnung trägt, wird den Gegenstand 
Ihrer Beschlußfassung bilden. Hieran anschließend wird auch die Vor- 
bereitung für den höheren Verwaltungsdienst eine andere Regelung er- 
fahren. Die Verhältnisse in den doppelsprachigen Landesteilen des Ostens 
der Monarchie haben eine Gestalt angenommen, die die ernsteste Aufmerk- 
samkeit der Regierung erheischt. Es ist eine Frage der Selbsterhaltung 
für den preußischen Staat, in seinen östlichen Provinzen dem Deutschtum 
die politische und wirtschaftliche Stellung zu erhalten, auf die es durch 
seine lange, unter der weisen Fürsorge der hohenzollernschen Fürsten ge- 
leistete Kulturarbeit gerechten Anspruch erworben hat. Die königliche 
Staatsregierung wird die Pflichten, die ihr die Pflege des Deutschtums 
im Osten und die Abwehr staatsfeindlicher Bestrebungen auferlegen, mit 
Festigkeit und Stetigkeit erfüllen. Sie zählt dabei auf die wirksame und 
furchtlose Mitarbeit der deutschen Bevölkerung in jenen Landesteilen und 
nicht minder auf die Unterstützung des gesamten Volkes, das ein Zurück- 
drängen deutscher Sprache und Sitte als einen Angriff auf die nationale 
Ehre und Würde empfindet. Meine Herren! Die Regierung Seiner 
Majestät des Königs rechnet auf Ihre verständnisvolle und patriotische 
Unterstützung bei Lösung dieser wichtigen Aufgaben. Möge die gemein- 
same Arbeit in der bevorstehenden Tagung Ergebnisse zeitigen, die dem 
Vaterlande zu dauerndem Segen gereichen! Auf Befehl Seiner Majestät 
des Kaisers und Königs erkläre ich den Landtag der Monarchie für eröffnet. 
9. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Finanz- 
minister Frhr. v. Rheinbaben legt den Etat vor. Ehrung Miquels. 
Nach dem Voranschlag balanciert der Etat in Einnahme und Aus- 
gabe mit 2614 167 144 Mark. 
Finanzminister v. Rheinbaben betont die Notwendigkeit, in den 
Ausgaben sparsam zu sein. Bedenken Sie immer, daß wir den Kredit 
unseres Staates ungeschmälert erhalten müssen, um den Staat über die 
mageren Jahre sicher hinüber zu führen. Andererseits darf diese Rücksicht 
nicht dahin führen, daß wir notwendige und unabweisliche Ausgaben 
zurückstellen. Wir sind im Gegenteil dazu übergegangen, diejenigen Auf- 
wendungen einzustellen, die notwendig sind, der Industrie über die gegen- 
wärtige schwierige Lage hinwegzuhelfen und den Arbeitsmarkt zu erleichtern. 
Als erste Folge der ungünstigen wirtschaftlichen Lage ergibt sich eine Ver- 
minderung unserer Einnahmen um 35 Millionen; dagegen aber erhöht 
sich ein Teil unserer Ausgaben ebenfalls um 35 Millionen, so daß sich im 
Ordinarium ein Mehr von 70 Millionen gegen das Vorjahr ergibt. Wenn 
es möglich gewesen ist, diesen erheblichen Ausfall zu tragen, ohne den 
Staatskredit in Anspruch zu nehmen und ohne notwendige Ausgaben zu 
schmälern, so danken wir dies der Voraussicht und der Fürsorge des 
Mannes, der gerade heut vor einem Jahre Ihnen den letzten Staats- 
haushalt vorlegte, und der um die Sicherung der Staatsfinanzen sich un- 
vergängliche Verdienste erworben hat: dem heimgegangenen Finanzminister 
von Miquel. (Lebhafter Beifall.) 
11. Januar. (Berlin.) Das Reichsmilitärgericht beschließt 
in dem Prozesse wegen Ermordung eines preußischen Rittmeisters 
(Jahrg. 1901 S. 127) die Aufhebung des Urteils und Zurückweisung 
der Sache an die Berufungsinstanz. 
  
 
	        
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