Das Vetsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November 3. 4.) 161
schwebenden Verhandlungen über den Neubau der Akademie ein Ziel zu
setzen, indem er diesen Platz für den Bau der Hochschulen bestimmte und
die Ausarbeitung eines Projektes befahl. Als Protektor der Akademie
beglückwünsche Ich Sie zu der heutigen Errungenschaft. Zugleich zolle Ich
gern Meine Anerkennung den hervorragenden Leistungen, die der Unter-
richt an beiden Hochschulen unter der ausgezeichneten Leitung ihrer lang-
jährigen verdienstvollen Direktoren bisher gezeitigt hat. Wie Ich es aber
als eine der vornehmsten Pflichten des Herrschers ansehe, in seinen Landen
die den Menschen veredelnde Kunst zu fördern und auf deren gesunde Ent-
wicklung sein Augenmerk zu richten, und, wie ich während Meiner bis-
herigen Regierung stets darauf bedacht gewesen bin, dieser Pflicht gerecht
zu werden, so kann Ich auch die jetzige Gelegenheit nicht vorübergehen
lassen, ohne an Lehrer wie Schüler die ernste Mahnung zu richten, in
enger Anlehnung an die unerreichbaren klassischen Vorbilder und in treuer
Nachfolge der zahlreichen großen Meister aller späteren Jahrhunderte, die
der Kunst sich geweiht und sie fortentwickelt haben, sowie insbesondere der-
jenigen Meister, die an der Akademie gelehrt oder ihre Ausbildung er-
halten haben, die Ideale der Kunst in den durch die Ueberlieferung und
die unwandelbaren Gesetze der Schönheit, Harmonie und Aesthetik ge-
wiesenen Bahnen zu hüten und zu pflegen. Seien Sie sich allzeit der
großen Kulturmission bewußt, die die von Gott begnadeten Jünger und
Träger der Kunst zu erfüllen haben: durch ihre Arbeit das Volk in allen
seinen Schichten aus dem Getriebe des alltäglichen Lebens zu den Höhen
der Kunst zu erheben und das den germanischen Stämmen besonders eigene
Schönheitsgefühl und den Sinn für das Edle zu hegen und zu stärken.
Von solchem Geiste getragen werden die beiden Hochschulen — das erwarte
und vertraue Ich! — ihren großen Aufgaben gerecht werden und dem
Vaterlande zur Zierde und zum Segen gereichen.
3. November. (Berlin.) Abg. Rickert, Führer der frei-
sinnigen Vereinigung, 69 Jahre alt, f.
4. November. (Berlin.) Der Kaiser hält bei der Ver-
eidigung der Rekruten folgende Ansprache:
Rekruten! Ihr habt Mir soeben den Fahneneid geschworen und
dabei angesichts der glorreichen und ruhmgekrönten Feldzeichen ausge-
sprochen, daß Ihr treu zu Eurem Kaiser stehen wollt in allen und jeden
Lagen. Hierfür Meinen kaiserlichen Dank. Ihr werdet während Eurer
Ausbildung manche schwere Stunde über Euch ergehen lassen müssen, denn
der Kriegsdienst ist schwer und stellt hohe Anforderungen an Euch. Aber
laßt Euch dadurch nicht anfechten, sondern tut, was von Euch verlangt
wird, was Eure Vorgesetzten Euch in Meinem Namen befehlen werden.
Dann werden aus Euch ganze Männer, auf die sich das Vaterland ver-
lassen kann. Jeder tue an seiner Stelle seine Pflicht und lasse sich durch
nichts irre machen. Denkt stets an Euren Fahneneid und schüttelt die
Versucher von Euch ab. Vergeßt aber auch Euren Gott nicht, denn durch
den Segen des Allerhöchsten wird Euch Euer Dienst leicht und lernt Ihr
schwere Stunden überstehen. Schämt Euch nicht des Gebetes, das Euch
einst Eure Mutter gelehrt hat. Wer Gott vertraut, ist noch nie unter-
gegangen und war die Prüfung auch noch so schwer. Ihr habt Mir Treue
geschworen; seid aber Euch selbst auch treu. Der Rock, den Ihr tragt, ist
Mein Rock und Ehre dem, der ihn tragen kann. Laßt dies Ehrenkleid
aber nicht beschimpfen, denn wer Euch beleidigt, tritt auch Mir zu nahe.
Haltet aber Frieden mit jedermann, vergewissert Euch in der Stunde der
Enropäischer Geschichtskalender. XLII. 11