Das Dentsqe Reiqh und seine einzelnen Glieder. (Dezember 5.—11.) 175
schließlich am Hehrsten vergriffen, was wir hienieden besitzen, an der
deutschen Mannesehre! Mit solchen Menschen könnt und dürft Ihr als
ehrliebende Männer nichts mehr zu tun haben und nicht mehr von ihnen
Euch leiten lassen. Nein! Sendet uns Eure Freunde und Kameraden
aus Eurer Mitte, den einfachen schlichten Mann aus der Werkstatt, der
Euer Vertrauen besitzt, in die Volksvertretung; der stehe ein für Eure
Wünsche und Interessen, und freudig werden wir ihn willkommen heißen
als Arbeitervertreter des deutschen Arbeiterstandes, nicht als Sozialdemo-
kraten. Mit solchen Vertretern des Arbeiterstandes, so viele ihrer sein
mögen, werden wir gern zusammenarbeiten für des Volkes und des Landes
Wohl, und wird so für Eure Zukunft gut gesorgt sein, zumal da sie
natürlich fest fußen werden auf der Königstreue, auf der Achtung vor dem
Gesetze und dem Staate und vor der Ehre ihrer Mitbürger und Brüder,
getren dem Schriftwort: „Fürchtet Gott, habt die Brüder lieb, ehret den
önig.“
5. Dezember. Dem Reichstage geht folgender Antrag
Gröber (3.) zu über Aenderung der Geschäftsordnung:
Der Reichstag wolle beschließen: Den ersten Satz des § 44 der
Geschäftsordnung durch folgende Bestimmungen zu ersetzen: „Das Wort
zur Geschäftsordnung wird nur nach freiem Ermessen des Präsidenten er-
teilt. Eine von ihm zugelassene Bemerkung zur Geschäftsordnung darf
die Dauer von fünf Minuten nicht übersteigen."
5. Dezember. (Oldenburg.) Der Landtag fordert die Re-
gierung auf, im Bundesrat auf Verminderung der Matrikular-
beiträge hinzuwirken.
Dezember. Aus vielen Werken laufen Kundgebungen der
Arbeiter an den Kaiser zu der Essener und Breslauer Rede ein.
In sozialdemokratischen Blättern wird behauptet, zu diesen Adressen
würden die Arbeiter von den Arbeitgebern gezwungen. Auch andere
Blätter, wie „Tägliche Rundschau“ und „Kölnische Volkszeitung“,
äußern Bedenken gegen das Zustandekommen dieser Kundgebungen.
9. Dezember. Der Reichstag genehmigt nach kurzer Debatte
den Antrag Gröber mit 206 gegen 95 Stimmen. — Die Geschäfts-
ordnungsberatungen werden von jetzt an außerordentlich verkürzt.
10. Dezember. (Berlin.) Eine Versammlung des Deutschen
Brauerbundes protestiert gegen die Erhöhung des Zolles auf
Braugerste.
11. Dezember. (Reichstag.) Annahme des Antrags Kardorff.
Zu dem Antrage sind eine Reihe Abänderungsanträge gestellt, die
Abg. Bassermann (nl.) sämtlich abzulehnen bittet. Die Annahme des
Antrages Kardorff entscheide das Schicksal des Zolltarifs, der nunmehr
gesichert sei. Es sei an der Regierung, sich zu dem Antrage zu äußern.
Reichskanzler Graf Bülow: Meine Herren! Der Herr Vorredner,
Abgeordneter Bassermann, hat dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß ich
mich aussprechen möchte über den Antrag von Kardorff und Genossen,
über die Herabsetzung einer Anzahl von Industriezöllen, über die Vieh-