Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 16.—Ende.) 183 
Liberalen empfiehlt, um den Umsturz der Verfassung durch die 
Mehrheitsparteien zu verhindern. 
16. Dezember. (Württemberg.) Die Zweite Kammer lehnt 
mit 62 gegen 7 Stimmen einen Antrag auf Beseitigung des Re- 
ligionsunterrichts in der Volksschule ab. 
Dezember. (Sachsen.) Die Regierung veröffentlicht eine 
Denkschrift über die Erhöhung des Personentarifs, die in der Presse 
viel Widerspruch findet. 
19. Dezember. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ weist 
die Behauptung amerikanischer Blätter, daß Deutschland in Vene- 
zuela und Brasilien Kolonien erwerben wolle, zurück; die Regie- 
rung der Vereinigten Staaten sei unterrichtet, daß Deutschland 
nur seine gerechten Forderungen an Venezuela durchsetzen wolle. 
20. Dezember. (Kiel.) Stapellauf des Linienschiffes „Braun- 
schweig“, das einen neuen Typ darstellt. 
Ende Dezember. Es gehen Nachrichten durch die Presse, daß 
die Mehrheitsparteien eine gründliche Aenderung der Geschäfts- 
ordnung im Reichstage, u. a. die Reduktion der einzelnen Redezeit 
auf eine Stunde, planten. Angehörige der Mehrheitsparteien 
dementieren die Nachricht. 
Ende Dezember. (Preußen.) Die Presse erörtert die Mög- 
lichkeit, ein besonderes Ministerium für Posen und Westpreußen zu 
bilden, um eine kräftige Polenpolitik zu betreiben. 
Dezember. (Sachsen.) Die Kronprinzessin, geborene Erz- 
herzogin von Toskana, verläßt ihren Gatten und entflieht nach der 
Schweiz (11. Dezember). Am 30. wird amtlich bekannt gemacht, 
daß der Kronprinz auf Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft 
klagen werde. 
Dezember. Agitation des Bundes der Landwirte gegen die 
Mehrheitsparteien. 
Der engere Vorstand des Bundes der Landwirte (Frhr. v. Wangen- 
heim, Dr. Roesicke, Dr. Diedrich Hahn) richtet an die Vorsitzenden der 
Wahlkreise und Bezirke sowie an die Vertrauensmänner des Bundes ein 
Rundschreiben, in dem es heißt: 
Man ist im Begriff, die wichtigsten und dauernden Ziele zu opfern, 
die der Bund der Landwirte seit seiner Gründung sich gesteckt hat, ja, die 
überhaupt zu der Gründung des Bundes einst allein den Anlaß gaben 
und für die er seit zehn Jahren Arbeit, Mühe und Opfer seiner Mit- 
glieder aufgewendet hat! Da kann es, nach unserer festen Ueberzeugung, 
nur eine Konsequenz geben: Der Bund der Landwirte muß auf ein wei- 
teres Zusammengehen mit denjenigen politischen Parteien und Abgeord-
	        
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