Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

190 Nie üserreichischungarische Monarchie. (Februar 27. März 7.) 
des Thrones der Habsburger. Hier stehen wir treu und fest geschart um 
unseren Kaiser, den wir alle lieben und innig verehren. Wir wollen ver- 
eint mit allen übrigen Volksstämmen des großen Reiches mit deutscher 
Kraft eintreten für Oesterreichs Ansehen und Machtstellung.“ — Hierauf 
wird mit 136 gegen 72 Stimmen beschlossen, in die Spezialberatung des 
Budgets einzutreten. 
27. Februar. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Szell über 
den Ausgleich und die Nationalitätenfrage. 
Der Ministerpräsident v. Szell erklärt, daß die jüngst vom Mi- 
nisterpräsidenten v. Körber über die Parlamentsfrage abgegebenen Erklä- 
rungen völlig der Auffassung der ungarischen Regierung entsprächen. Was 
den autonomen Zolltarif angehe, so bestimme das Gesetz, daß der neue 
Zolltarif vor den Verhandlungen über die Handelsverträge zustande kommen 
müsse. Wenn auch von keinem auswärtigen Staat eine Anregung in dem 
Sinne erfolgt sei, daß, falls der Abschluß der Handelsverträge nicht recht- 
zeitig möglich wäre, die Verträge mit dem Auslande verlängert werden 
sollten, so müsse doch angesichts der zollpolitischen Lage in allen Staaten 
damit gerechnet werden, daß in anderer Weise in handelspolitischer Hinsicht 
Vorsorge getroffen werde. Das Gesetz beschränke in dieser Richtung die 
Aktionsfreiheit Ungarns nicht; Ungarn könne sogar im Falle des Nicht- 
zustandekommens des neuen Zolltarifs kurzfristige mit dem Jahre 1907 
ablaufende Handelsverträge abschließen. (Zustimmung rechts.) Im weiteren 
Verlauf seiner Rede sagt Ministerpräsident v. Szell mit Bezug auf die Er- 
örterungen des Abg. Lindner (S. 186): Eine Nationalitätenfrage in dem 
Sinne, wie man sie gemeinhin versteht, gibt es in Ungarn nicht, da wir 
nur eine einheitliche, politische Nation kennen. (Allgemeiner, lebhafter 
Beifall.) Aus diesem Grund kann ich als Ministerpräsident es nicht bil- 
ligen, wenn Abg. Lindner von einer Hegemonie des magyarischen Stammes 
spricht. Das führt in letzter Konsequenz zum Föderalismus. Ich schätze 
das tüchtige, arbeitsame Sachsenvolk ungemein, wenn es während seiner 
700jährigen Ansässigkeit in Ungarn seinen angestammten Sitten, seiner 
Sprache und Kultur, die ich sehr schätze, treu geblieben ist. Das beweist, 
daß der ungarische Staat in allen Wechselfällen der Geschichte seine schir- 
mende Hand über das Sachsenvolk gebreitet hat. Um so befremdender ist 
die Behauptung des Abg. Lindner, daß Zusagen an Volksstämme im Lande 
nur den Kroaten gegenüber gehalten werden. Diese Aeußerung wirft auf 
die Gedankenwelt des Abg. Lindner ein scharfes Licht und mahnt zur Be- 
hutsamkeit. (Zustimmung rechts.) Er verwerfe jede Politik, welche die 
Zurücksetzung eines Staatsbürgers seiner Abstammung oder seiner Mutter- 
sprache wegen fordere, weil er weit entfernt sei von einem Vorgehen, das 
als tyrannisch aufgefaßt werden könne. 
7. März. (Cisleithanien.) Im Abgeordnetenhause führt 
Ministerpräsident v. Körber aus, daß die Triester Unruhen vom 
14. Februar zum großen Teil von Anarchisten angezettelt seien. 
Am 13. Februar habe eine Arbeiterdemonstration ohne Folgen statt- 
gefunden, am 14. Februar aber traten andere Bevölkerungsschichten auf, 
von welcher Art, beweisen ihre Taten. „Sie schlugen Hunderte von Fenstern 
ein, sie zerbrachen zahlreiche Bänke in den Parkanlagen, sie zertrümmerten 
400 Straßenlaternen, sie rissen 80 Gaskandelaber aus der Erde, zündeten 
das ausströmende Gas an und bewarfen die Feuerwache, welche zu löschen 
versuchte, mit Steinen, sie forderten zur Brandlegung am Gasometer auf,
	        
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