Die üserreihisqh· nugarishe Monarchie. (Mai 14.) 197
Anspruch nehmen, und wenn auch ich mich nicht der Erkenntnis verschließe,
daß die Verhandlungen zu deren Erneuerung auf manche Schwierigkeiten
stoßen dürften, so glaube ich doch, daß dieselben bei einigem guten Willen
nicht so unüberwindlich sein werden, um nicht endlich zu einem allseitig
annehmbaren Vergleich zu führen. Dies setzt allerdings zwei Bedingungen
voraus, einerseits einen gewissen Grad von Einsicht und Mäßigung in den
wirtschaftlichen Kreisen der verschiedenen in Betracht kommenden Staaten
— um, ohne daß dabei die Preisgabe wirklich vitaler Interessen in Frage
kommt, die Ueberbrückung der zum Vorschein kommenden Gegensätze zu
ermöglichen, anderseits, was uns speziell betrifft, eine vollständige Ueber-
einstimmung zwischen beiden Teilen der Monarchie, um dem Ausland
gegenüber als geschlossenes und somit kräftiges Ganzes auftreten zu können
und uns nicht etwa durch mangelhafte Bestellung des eigenen Haushaltes
schon a priori in Nachteil zu versetzen. (Hört, hört!) Daß von jeder Seite
einige Opfer gebracht werden müssen, um zu einer billigen Verständigung
zu gelangen, daß vor allem die Alliierten trachten müssen, sich miteinander
abzufinden, um einen vertraglosen Zustand zu vermeiden und ihre wirt-
schaftlichen Beziehungen mit den politischen möglichst in Einklang zu bringen,
scheint mir ziemlich einleuchtend zu sein; aber ebenso naheliegend ist es,
daß, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, in eine höchst ungünstige Lage
zu geraten und etwa die Zeche allein zu zahlen, wir unbedingt dafür sorgen
müssen, eine gemeinsame Operationsbasis zu schaffen, auf der wir unsere
Postulate bei den Verhandlungen mit den fremden Staaten erfolgreich ver-
treten können.
Del. Kramarsch (Tsch.): Nach der Aeußerung des Grafen Bülow
vom 8. Januar bedeute der Dreibund für Preußen nur ein Sicherungs-
mittel für seine frühere Eroberungspolitik, und Oesterreich-Ungarn habe
sich dazu hergegeben, durch seinen Beitritt zum Dreibund alles zu rati-
fizieren, was die preußische Politik bisher systematisch gegen Oesterreich
unternommen habe. Das Einvernehmen mit Rußland biete die beste
Friedensbürgschaft, aber eine bloße Politik des status quo auf dem Balkan
biete nicht genügend Garantien für die legitime Stellung Oesterreich-
Ungarns und die Erhaltung des Friedens dortselbst, namentlich angesichts
der Ausführung eines faktischen Protektorates seitens Deutschlands in Kon-
stantinopel und der nationalen italienischen Aspirationen am Ostgestade des
Adriatischen Meeres. Del. v. Kolzlowski (Pole) billigt den Dreibund
trotz der schikanösen Haltung der preußischen Regierung gegen die Polen.
Die deutschen Delegierten stimmen den Ausführungen des Mi-
nisters zu.
14. Mai. (Pest.) Debatte in den Delegationen über die
Begleitung des Erzherzogs Franz Ferdinand.
Auf eine Anfrage des ungarischen Del. Hollo erwidert Minister
des Auswärtigen v. Goluchowski: Der Erzherzog begebe sich nach London
in ausschließlicher Vertretung Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich
und Königs von Ungarn. Sobald der Erzherzog erfahren habe, daß er
ausersehen sei, Se. Majestät bei der Krönung zu vertreten, habe er die
Erlaubnis erbeten, einige Herren zur Begleitung einzuladen, und habe die
Namen dieser Herren genannt. Die Auswahl sei von Sr. Moajestät ge-
billigt worden. Der Erzherzog habe dafür gesorgt, daß ihn auch ein hoch-
angesehenes Mitglied der ungarischen Gesellschaft, Graf Tassilo Festetics,
begleite. Es seien auch andere Persönlichkeiten eingeladen worden; aber
diese Herren verträten nichts und niemanden. Es könne aus der Zusammen-
stellung des Gefolges kein staatsrechtliches Gravamen abgeleitet werden;