Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

198 Bie ükerreichisc ungarische Menarchie. (Mai 23. 26.) 
das sei eine reine Hofsache, auf die dem Minister des Aeußern keine In- 
gerenz zustehe. 
23. Mai. (Cisleithanien.) Das Abgeordnetenhaus ge- 
nehmigt mit 154 gegen 114 Stimmen das Budget in dritter Lesung. 
Es ist seit 1897 das erste Budget, das ordnungsmäßig zu stande 
gekommen ist. 
23. Mai. (Cisleithanien.) Debatte über den Ausgleich 
mit Ungarn. 
Abg. Breiter (Alld.) verlangt unter heftigen Angriffen auf den 
ungarischen Ministerpräsidenten Auskunft über die Ausgleichsverhandlungen. 
Ministerpräsident v. Körber: Er halte es nicht für zuträglich, über den 
Stand der Ausgleichsverhandlungen in einem Augenblick Mitteilungen zu 
machen, wo diese knapp vor der Entscheidung stehen. Er könne nur wieder- 
holen, daß die Regierung fest entschlossen sei, den unabweislichen Bedürf- 
nissen der diesseitigen Reichshälfte mit allem Nachdruck Geltung zu ver- 
schaffen. Daß uns vor allem der Gedanke leitet, die alte wirtschaftliche 
Gemeinschaft mit Ungarn aufrechtzuerhalten, ist selbstverständlich. Wir 
werden diesen Gedanken erst'verlassen, wenn man uns dazu zwingt. (Hört!) 
In keinem Fall werden wir die ersten sein, welche das Band, das die 
Kraft der Monarchie mit zusammenhält, auch nur antasten. Abg. Dr. Pacak: 
Die Böhmen würden an dem Beschlusse, in Verhandlungen über den unga- 
rischen Ausgleich nicht einzugehen, festhalten, bis das an ihnen begangene 
Unrecht gutgemacht sei. Solange würde es unmöglich sein, auf parla- 
mentorischem Wege den österreichisch-ungarischen Ausgleich zustande zu 
ringen. 
26. Mai. (Pest.) Der Kaiser empfängt die Delegationen 
und hat dabei mit dem Abg. Pacak eine Unterredung über die 
böhmische Frage. 
Die „Bohemia“ berichtet darüber: Der Kaiser gedachte, zum Abg. 
Pacak sich wendend, der bevorstehenden böhmischen Landtagssession. 
Dr. Pacak meinte, es sei allerdings höchste Zeit, den Reichsrat zu schließen 
und den Landtag einzuberufen, weil dieser dringende Arbeiten habe. Der 
Kaiser sprach sodann über die weiteren Aufgaben des Reichsrats und die 
Stellung der tschechischen Abgeordneten zu demselben. Dr. Pacak setzte in 
seiner Antwort die Taktik der tschechischen Abgeordneten seit 1899 aus- 
einander und betonte, daß, wenn eine übel beratene und übel beratende 
Regierung, anstatt in Bezug auf die Sprachenverordnungen tabula rasa 
zu machen, die innere tschechische Amtssprache, insbesondere in den der 
Mehrheit nach tschechischen Bezirken, statuiert und geregelt hätte, die Stel- 
lung der tschechischen Abgeordneten eine leichtere wäre. Trotzdem hätten 
es diese über sich gebracht, in Erwartung, daß ihnen hierfür Anerkennung 
zuteil werden wird, bisher alle Staatsnotwendigkeiten passieren zu lassen, 
während zur Zeit der früheren (d. h. deutschen) Obstruktion, deren merito- 
rische Rechte durch die Sprachenverordnungen nicht im mindesten verletzt 
worden seien, keine einzige Regierungsvorlage zur Verhandlung zugelassen 
worden sei. Leider sei die Erwartung der Tschechen auf Anerkennung 
nicht in Erfüllung gegangen, insbesondere sei in Bezug auf das Haupt- 
gravamen des tschechischen Volkes und in Bezug auf die Hauptursache der 
jetzigen Opposition der tschechischen Volksabgeordneten, nämlich in der 
Sprachenfrage, seit drei Jahren nichts geschehen. Er wolle dem Kaiser
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.