Die ãsterreithisqh · nngarise Menarchie. (Mai 27.) 199
nicht verschweigen, daß die Stellung der tschechischen Abgeordneten im Hause
und im Volke eine sehr schwierige sei, auch aus dem Grunde, weil sie
gegnerische Fraktionen im Rücken haben. — Der Kaiser: Aber ich höre,
daß Ihre Zeitungen Sie zur Vorsicht mahnen? — Dr. Pacak: Das trifft
bei dem einen oder anderen Blatte zu und bezieht sich aber keineswegs
auf unser Verhalten und Vorgehen in der Sprachenfrage. — Der Kaiser
sprach sodann über die Notwendigkeit eines Einverständnisses zwischen den
beiden Volksstämmen in Böhmen. — Dr. Pacak: Niemand bei den Tschechen
ist gegen einen gerechten Ausgleich mit den Deutschen; erstens, weil die
wirtschaftlichen Interessen beider Völker kongruent seien, und zweitens,
weil es das Interesse sowohl der Völker, als der Dynastie wäre; aber es
müsse doch ein Milien geschaffen werden, um das möglich zu machen. Die
Einführung der inneren tschechischen Amtssprache tangiere niemandes Rechte.
— Der Kaiser bemerkte sodann, es sei angezeigt, noch einige Vorlagen vor
dem Reichsratsschluß zu erledigen, und gedachte hierbei der letzten drohen-
den Erklärungen des Tschechenklubs. — Dr. Pacak erwiderte, daß vor Be-
ginn der Budgetberatung, welcher die Tschechen nicht die geringsten
Schwierigkeiten gemacht hätten, von den anderen maßgebenden Parteien
öffentlich eine bindende Erklärung dahin abgegeben worden sei, daß nach
dem Budget und vor der parlamentarischen Behandlung des Ausgleichs
Mittel und Wege gesucht werden sollen, um zu einer befriedigenden und
gerechten Austragung der deutsch-tschechischen Angelegenheiten zu kommen.
Die tschechischen Abgeordneten hätten ihre Pflicht verletzt, wenn sie diese
die übrigen Parteien verpflichtende Erklärung nicht in Erinnerung gebracht
hätten. Es sei Sache der anderen Seite, den von ihr angekündigten Vor-
gang einzuhalten. Indem der Kaiser sich zu einem anderen Abgeordneten
wandte, sagte er noch zu Dr. Pacak: Ich wiederhole: „Ich halte das Ein-
vernehmen der beiden Nationen in Böhmen für eine Staatsnotwendigkeit.“
27. Mai. (Pest.) Debatte über die Los von Rom-Bewegung
in der österreichischen Delegation.
Abg. Kramarz (Tsch.): Die Los von Rom-Bewegung sei keine
religiöse, sondern eine nationale und politische mit dem Endzweck, Oester-
reich zum Rang eines deutschen Bundesstaates herabzudrücken. Redner
bezeichnet die Bewegung als aus Deutschland importiert und sagt, wir
haben das Recht, zu verlangen, daß Deutschland nicht duldet, daß diese
Bewegung von Körperschaften, die einen offiziellen Charakter haben, bei
uns unterstützt werde.
Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski: Der Delegierte
Dr. Kramarz hat in einer langen Rede die „Los von Rom“"-Bewegung
erörtert und mich aufgefordert, auch bei der Bekämpfung mitzuwirken. Ich
muß gestehen, daß ich nicht weiß, in welcher Form ich seiner Aufforderung
nachkommen kann. Daß diese Bewegung besteht, das leugne ich nicht; ich
leugne auch nicht, daß es evangelische Vereine gibt, insbesondere den Gustav-
Adolf-Verein, die diese Bewegung unterstützen. Das sind private An-
gelegenheiten. Soweit es sich aber um die deutschen Regierungen, und
zwar die preußische, sächsische, bayerische handelt, kann ich nur konstatieren,
daß sie außerordentlich korrekt vorgegangen sind und mir keinen Anlaß
gegeben haben, in dieser Hinsicht aufzutreten. Es kann ja vorkommen,
daß diese Agitation, die Vorstöße dieser evangelischen Vereine in Oesterreich
nicht immer mit den hiesigen Gesetzen übereinstimmen. Da ist es Aufgabe
der österreichischen Regierung, dagegen aufzutreten und solche Uebelstände
abzuschaffen. Es ist allerdings wahr und bedauerlich, daß wir, was die
Vikare anbelangt, auf den Zuzug aus der Fremde angewiesen sind. Aber