Hie ötterreichisch-ungerische Menarchie. (Oktober 22.) 205
mit aller Entschiedenheit anstrebt, um die Sprachenfrage einer praktischen
Lösung zuzuführen. Es ist möglich, daß wir mit unserem Versuch scheitern,
allein die Frage ist gestellt und muß beantwortet werden. Dies ist meines
Erachtens ein Fortschritt in der Situation, für welchen wir von den Ver-
tretern des böhmischen Volkes gewiß wohl kaum Vorwürfe verdienen. (Leb-
hafter Widerspruch bei den Tschechen.) Die Regierung mahne beide Volks-
stämme mit gleichem Nachdruck zur Mäßigung und Besonnenheit. (Scharfe
Unterbrechungen von seiten der Tschechen.) Die Regierung war auf die
Verwerfung ihrer Vorschläge in Bausch und Bogen schon gefaßt und wun-
dert sich nicht, wenn auch von der anderen Seite eine herbe Kritik kommt.
Der Widerspruch beider Parteien aber schrecke sie nicht. Gehen Sie auf
die Sache ein, und der richtige Weg wird sich finden. Leider muß ich hier
einen sonst seltenen Fall annehmen, daß sich nämlich hinter sachlichen Ein-
wendungen Mißgunst gegen die Form verbirgt. Und darin erblicke ich
einen schweren Fehler. (Bravo.) Die Vertreter der Deutschen finden in
den Grundzügen das Gebiet genau umschrieben, in dem die deutsche Sprache
als Amtssprache bei den landesfürstlichen Behörden zu gelten hat. Die
Regierung gibt ihnen auch anheim, einen Vergleich zwischen dieser Ab-
grenzung und den von den Deutschen erhobenen Wünschen anzustellen und
danach ihre Entscheidung zu treffen. Auch die Frage, ob für die Erhal-
tung ihres Volkstums Garantien darin gegeben sind, wollen sie prüfen.
Ueber den Ausgleich sagt er: Die Regierung ist wider Erwarten und trotz
allen Eifers augenblicklich nicht in der Lage, definitive Resultate vorzu-
legen. Die Regierung hält volle unzweideutige Klarheit und gegenseitiges
Wohlwollen in allen zu vereinbarenden Abmachungen für sehr bedeutungs-
voll. Nur dann könne man zu jener Gemeinschaft gelangen, die die Re-
gierung als allein erstrebenswertes Ziel ihrer Politik ansieht. Wir weisen
jeden anderen Gedanken so lange zurück, als die Hoffnung eines gerechten
Ausgleiches zwischen den beiderseitigen Forderungen vorhanden ist. Das
Entgegenkommen der Regierung kennt nur eine Grenze, nämlich das un-
abweisbare Bedürfnis Oesterreichs.
22. Oktober. (Pest.) Abgeordnetenhaus. Finanzminister
Lukacs legt das Budget für 1903 vor.
Die Bilanz der ordentlichen Gebarung schließt ab mit: Einnahmen
1051555204 Kronen und Ausgaben 1000664 498 Kronen, daher mit einem
Ueberschuß der ordentlichen Gebarung von 50890706 Kronen; dagegen
stehen bei der außerordentlichen Gebarung den 89798172 Kronen Ueber-
gangs= und Investitions-Ausgaben nur 39 381270 Kronen außerordent-
liche Einnahmen gegenüber, daher ergibt sich hier ein Defizit von 50 416902
Kronen. Die ordentliche und außerordentliche Gebarung zusammen-
genommen, stehen den 1090 462670 Kronen Gesamteinnahmen 1090036474
Kronen Gesamtausgaben gegenüber, so daß ein Ueberschuß von 473804
Kronen verbleibt, welcher Betrag um 286654 Kronen größer ist als der
Ueberschuß pro 1902. Bei den ordentlichen Ausgaben sind die Zivilliste
mit 2, die gemeinsamen Ausgaben mit 2,75, die staatlichen Betriebe mit
5,75 Millionen höher angesetzt. Bei Post, Telegraph und Bahnen sind
die staatlichen Beihülfen zu den kulturellen Institutionen um 18 Millionen
höher veranschlagt. Demgegenüber weisen die Staatsschulden eine hohe
Zinsenersparnis um 10 Millionen Kronen auf. Eine größere Summe,
und zwar 13 Millionen Kronen, dürfte die Erhöhung der Gehälter der
Staatsbeamten erfordern.
Oktober. Die Regierung bringt in beiden Reichshälften eine