Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

14 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 13.) 
Lage befinden sich noch die kleineren Geschäfte. Die polnischen werden nach 
dieser Richtung hin von ihren Landsleuten unterstützt. Am härtesten trifft 
der Boykott das Baugewerbe. Die deutschen Geschäftsleute werden pol- 
nischerseits streng überwacht. Der Oberpräsident von Westpreußen, Herr 
v. Goßler, ein überaus tüchtiger und kenntnisreicher Verwaltungsbeamter, 
berichtet unter dem 3. d. M. ganz ähnlich über die Ansammlung von 
deutschem Grundeigentum in polnischen Händen. Dort hat der Verlust 
der Deutschen 1154 Grundstücke und 14000 Hektar betragen. Zahlreiche 
polnische landwirtschaftliche Vereine und Korporationen für die landwirt- 
schaftlichen Interessen verstärken die Macht des polnischen Elementes. In 
steigendem Maße wird das deutsche Volk zu gunsten der polnischen 
Nationalität verdrängt. Mehr und mehr schreitet die Polonisierung der 
Grenzdistrikte vor. Gegenüber dieser Gefahr darf die königliche Regierung 
die Hand nicht in den Schoß legen (Sehr richtig!), sondern es ist ihre 
Pflicht, diesem Ansturm der Polen gegen das Deutschtum entgegenzutreten 
und die deutschen Elemente zu sammeln, zu stärken und widerstandsfähiger 
zu machen. Man kann es beklagen, daß die östlichen Provinzen der Schau- 
platz nationaler Kämpfe sind. Nachdem aber diese Kämpfe von den Polen 
eröffnet und mit steigender Erbitterung (Lachen und Oho! bei den Polen) 
geführt worden sind, haben wir nur zwei Möglichkeiten, nämlich entweder 
uns ohne Kampf besiegen zu lassen oder uns energisch unsrer Haut zu 
wehren. (Beifall.) Wir leben nicht in einem Wolkenkukuksheim, wir leben 
auch nicht im Paradies, sondern wir leben auf dieser harten Erde, wo es 
heißt, Hammer oder Amboß sein. (Sehr richtig.) Wir können es nicht 
dulden, daß die Wurzeln unsrer deutschen Volkskraft verdorren, daß unser 
Weizen von dem Unkraut überwuchert, daß unser deutsches Volkstum von 
einem fremden Volke überflutet wird. (Beifall.) Ich halte es nicht nur 
für eine der wichtigsten Fragen der Politik, wie Herr Hobrecht, sondern 
für diejenige Frage, von deren Entwicklung die nächste Zukunft unsres 
Vaterlandes abhängt. (Lebhafte Zustimmung und Unruhe.) Die geschicht- 
liche Entwicklung hat uns in den Besitz jener Landesteile gesetzt, da sind 
wir und da bleiben wir (Beifall), ob es anderen Leuten angenehm ist oder 
nicht. (Erneuter Beifall). Und um dort bleiben zu können, müssen wir 
die Mittel, die wir besitzen, durchführen (Zurufe), ohne Oscillation, darin 
bin ich mit dem ersten Herrn Vorredner einverstanden, in ruhiger, stetiger, 
sicherer Weise, um den preußischen Staatsgedanken in jenen Landesteilen 
aufrecht zu erhalten, um den unlöslichen Zusammenhang jener in heißem 
Ringen erworbenen Landesteile mit dem preußischen Staat fest zu be- 
haupten, um die östlichen Provinzen als integrierende Bestandteile unserer 
preußischen Monarchie für alle Zeiten sicher zu stellen, und in dem Kampfe, 
der von den Polen geführt wird, dafür zu sorgen, daß das deutsche Ele- 
ment gestärkt wird und nicht unterliegt. (Beifall.) 
In erster Linie werden wir darauf bedacht sein, die bereits dort 
vorhandenen Deutschen möglichst festzuhalten, ihre wirtschaftliche Leistungs- 
fähigkeit zu stärken, ihren Zuzug zu fördern, ihren Abzug nach Möglichkeit 
zu verringern. Das Mittel zu diesem Zweck wird die Fortsetzung einer 
zielbewußten Siedelungspolitik sein. Die Einsetzung deutscher Bauern in 
den Ostmarken soll die Grundlage dieser Siedelungspolitik sein, die Seß- 
haftmachung deutscher Landwirte soll verhindern, daß das Nationalitäten- 
verhältnis sich noch mehr zu ungunsten des Deutschtums verschiebt; die 
Vermehrung einer planmäßigen Kolonisation soll dem Deutschtum weiteren 
Eingang verschaffen, an der planmäßigen Beförderung deutscher Ansiedelung 
in Westpreußen und Posen werden wir unentwegt festhalten, sie in be- 
schleunigtem Tempo fortsetzen und, sobald unsere Fonds erschöpft sind,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.