Italien. (Februar 20. 21.) 251
20. Februar. Der König eröffnet das Parlament.
In der Thronrede heißt es: „Ich eröffne zum ersten Male persönlich
Ihre gesetzgeberischen Arbeiten und freue mich, Ihnen hiebei mein herz-
lichstes Vertrauen auf Ihre Tätigkeit auszusprechen. Ich habe die feste
Ueberzeugung, daß die Harmonie der Gedanken und Empfindungen zwischen
dem Fürsten und dem Parlamente die Wohltaten unserer Institutionen
sicher stellt und bekräftigt, daß dieselben jeglichem Fortschritte geöffnet und
jeglicher Weiterentwicklung fähig sind.“ .. „Ich weiß, daß ich immer auf
Ihre patriotische Mitwirkung rechnen kann bei dem großen Werke, welches
die glückliche Zukunft des gemeinsamen Vaterlandes bezweckt. Diese starke
und loyale Unterstützung wurde in den schweren Tagen, welche unsere Un-
abhängigkeit und Einheit vorbereiteten, von meinem großen Ahnen vom
Parlament verlangt, um die liberalen Grundsätze, die er zur unerschütter-
lichen Grundlage machen wollte, zur Anwendung und Entwicklung zu
bringen. Auf diese Beispiele wurde auch hingewiesen von meinem viel-
geliebten Vater, dessen Hinscheiden in meinem und jedermanns Herzen leb-
haft und dauernd beklagt wird. Es ist mir sehr angenehm, daß wir nach
schweren Tagen uns jetzt getrösten können durch die in der Eintracht
zwischen Gesetz und Freiheit gewonnene Beruhigung.“ Es werden sodann
soziale Gesetzentwürfe, besonders ein Gesetz über den. Arbeitsvertrag ange-
kündigt. . .. „Meine Regierung wird Ihnen eine Vorlage unterbreiten,
die dahin geht, in Uebereinstimmung mit dem gemeinen Rechte anderer
Völker das ideale Prinzip der Unauflöslichkeit der Zivilehe einzuschränken
und durch gerechte Vorschriften die gegen uneheliche Söhne gerichteten Be-
stimmungen abzuändern. — In den Beziehungen zwischen Staat und Kirche
ist meine Regierung bestrebt, streng die Trennung der staatlichen und kirch-
lichen Ordnung aufrecht zu erhalten, dem Klerus die ihm zukommende Ehre
zu erweisen, aber ihn innerhalb der Grenzen des rein Kirchlichen zu halten,
der Religion und der Freiheit des Gewissens unbeschränkteste Achtung ent-
gegenzubringen, aber unbeugsam die Vorrechte der Staatsgewalt, sowie die
Rechte der nationalen Souveränität unangetastet zu erhalten.“... „Die
Beziehungen Italiens zu allen Mächten sind ausgezeichnet. Die Politik,
die all unserer Rechte, all unserer Pflichten eingedenk ist, trug uns große
Sympathie und schmeichelhafte Beweise der Achtung ein, in welcher unser
Vaterland bei den auswärtigen Völkern steht. Die Verteidigung unserer
Interessen, die Treue gegenüber unseren Bündnissen und gegenüber den
Banden herzlicher Freundschaften lassen sich so vollkommen vereinen mit
dem erhabensten Ziele, das Italien verfolgt — dem Frieden. Traurige
Ereignisse machten die Entsendung italienischer Streitkräfte nach dem
äußersten Osten nötig. Unsere Soldaten und Seeleute legten Beweise her-
vorragendster militärischer Tüchtigkeit ab und sind bei ihrer Rückkehr in
die Heimat mit herzlicher Begeisterung empfangen worden. Eingedenk der
Tapferkeit und Selbstverleugnung, des Gehorsams und der Treue, welche
unsere Armee und Marine stets gezeigt haben, entbiete ich ihnen als Soldat
und König meinen Gruß.“
21. Februar. Ministerkrifis.
Bei der Präsidentenwahl in der Kammer erhält der Kandidat der
Regierung Villa 142 Stimmen, ein Sozialist Costa 17, 13 Stimmen zer-
splittern sich, 120 weiße Zettel werden abgegeben. 216 Abgeordnete fehlen.
Bei der Stichwahl erhält Villa 135, Costa 25, 142 weiße Zettel werden
abgegeben. Wegen der geringen Stimmenzahl des Regierungskandidaten
reicht das Ministerium Zanardelli seine Demission ein.