Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

292 Rusßland. (November 30. Dezember.) 
durch den Generalgouverneur einberufen werden kann. Für das Oekonomie- 
Departement wird eine besondere Behörde mit bestimmtem Wirkungskreis 
gebildet. Den Vorsitz im Senat führt der Generalgouverneur oder dessen 
Gehilfe, in Abwesenheit des letzteren einer der Vizepräsidenten der Departe- 
ments. Die Bestimmung über diejenigen Sachen, die unbedingt unter dem 
Vorsitz des Generalgouverneurs oder seines Gehilfen zu beraten sind, wie 
die Oberleitung der Verhandlung, die Verteilung der Mitglieder auf die 
einzelnen Abteilungen, Inspektionsfahrten und Beurlaubung von Senatoren 
hängt von dem Generalgouverneur ab. Das Einreichen von Papieren an 
den Senat auf den Allerhöchsten Namen wird abgeschafft. Die Papiere 
werden dem Senat eingereicht, Klagen und Bittschriften auf den Aller- 
höchsten Namen werden auf dem vorgeschriebenen Weg vorgebracht. Auf 
einen Fall dürfen berücksichtigt werden: von mehreren Personen gemein- 
schaftlich eingereichte Bittschriften, Adressaten oder Reklamationen, die in 
Form von Gesuchen an Regierungsmaßnahmen Kritik üben oder die öffent- 
liche Ruhe und Ordnung erschüttern. Das Recht des Senatsprokurators, 
über den Generalgouverneur an den Kaiser zu berichten, wird aufgehoben. 
Die Verfügungen, die die Einrichtungen des Senates betreffen, treten am 
14. Oktober 1903 in Kraft. („Allg. Ztg.“) 
30. November. (Petersburg.) Die erste offizielle behörd- 
liche Arbeiterversammlung wird abgehalten, um über die Verbesse- 
rung der Lage durch gegenseitige Unterstützung und durch Entwick- 
lung beruflicher Selbständigkeit zu beraten. Der Minister des 
Innern v. Plehwe verspricht einer Abordnung Arbeiter seine Unter- 
stützung. 
November. Dezember. (Rostow.) Arbeiterunruhen. 
Der „Regierungsbote“ berichtet darüber (2. Dezember): Am 17. No- 
vember stellten 3000 Arbeiter der in Rostow am Don gelegenen Werkstätten 
der Wladikawkas--Eisenbahn die Arbeit ein und forderten Verkürzung der 
Arbeitszeit, Lohnerhöhung und die Entlassung einiger Meister. Sie ver- 
hielten sich sonst ruhig. Am 20. November wurde den Arbeitern bekannt 
gegeben, daß ihre Forderungen nicht berücksichtigt werden könnten, und die 
Arbeiter wurden aufgefordert, ihre Abrechnung zu machen. An den fol- 
genden Tagen wurden unter den Ausständigen Proklamationen verteilt 
mit der Aufforderung zum Ausstande und der Unterschrift: Donsches 
Komitee der russischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Infolgedessen 
wurden am 21. November fünf Aufrührer festgenommen. Am 22. No- 
vember und 28. November fanden in einer Schlucht bei Rostow Arbeiter- 
versammlungen statt. Die Eisenbahnbehörde setzte den 24. November als 
Termin fest, die Arbeit wieder aufzunehmen. Trotzdem fanden am 24. No- 
vember Arbeiterversammlungen statt. Kosaken versuchten, die Ausständigen 
zu vertreiben, wobei durch Steinwürfe ein Offizier und 5 Kosaken verletzt 
wurden. Als die Ausschreitungen ihren Höhepunkt erreichten, feuerte eine 
halbe Sotnie Kosaken zu Fuß. Die Arbeiter flüchteten und ließen 2 Tote 
und 19 Verwundete zurück. Auch die Arbeiter der Station Tichoretzkaija 
stellten am 28. November die Arbeit ein und erhoben dieselben Forderungen 
wie die Rostower. Obwohl jede Versammlung verboten wurde, versam- 
melten sich am 30. November gegen 1000 Arbeiter. Als der Haufe auf 
Ermahnung nicht auseinanderging, sondern die Kosaken mit Steinwürfen 
bewarf und einen Offizier und 12 Kosaken verwundete, gingen die Kosaken 
erst mit blanker Waffe vor und feuerten dann, worauf der Haufe aus- 
 
	        
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