Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Nord-Amerika. (März 2.—11.) 309 
dem Prinzen Heinrich einen Fackelzug. Der Prinz dankt dem Vor- 
sittenden mit folgender Ansprache: 
„Herr Präsident! Erlauben Sie mir, meinen aufrichtigen Dank für 
diesen herzlichen Empfang auszusprechen. Es erfüllt mich mit Freude, zu 
sehen, daß alle deutschen Vereine New-Yorks an dieser Ovation teilnehmen, 
die ich nicht als mir, sondern als meinem Bruder, Seiner Majestät dem 
Deutschen Kaiser, meinem hohen Souverän, dargebracht ansehe. Meine 
Herren! Die meisten von Ihnen sind Bürger dieses herrlichen Landes, der 
Vereinigten Staaten. Aus Ihrem alten Vaterlande brachten Sie hier 
herüber ein gewisses Pflichtgefühl mit, das zweifellos in hohem Maße 
Ihnen geholfen hat, die Erfolge zu erringen, die Sie als Bürger dieses 
Landes erzielt haben. Es ist mein Wunsch, daß Sie als Bürger dieses 
herrlichen Landes demselben Pflichtgefühl treu bleiben mögen, welches Ihre 
Brüder im alten Vaterlande leitet.“ 
2./10. März. Prinz Heinrich macht eine Reise nach St. Louis, 
Chicago, Niagara, Cambridge, Boston, Philadelphia. Im Cam- 
bridge wird der Prinz zum Ehrendoktor der Rechte der Harvard- 
univerfität ernannt. In Philadelphia hält er auf einem Festdiner 
folgende Rede: 
„Ich wünsche Ihnen zu danken für die freundliche Aufnahme, welche 
ich in den Vereinigten Staaten fand. Meine Herren! Dies ist wohl die 
letzte Gelegenheit, welche ich während meines Aufenthalts in den Vereinigten 
Staaten habe, öffentlich zu sprechen. Ich bin sehr betrübt darüber, daß 
dies so sein muß. Was ich jetzt im Begriff bin, Ihnen mitzuteilen, sage 
ich vor der Welt. Es war absolut kein geheimer Zweck, der mit meiner 
Mission in Ihr Land verknüpft ist. Sollte irgend jemand von Ihnen 
etwas Gegenteiliges lesen oder hören, so ermächtige ich Sie hiemit, dies 
rundweg zu bestreiten. Mir wurde gesagt, bevor ich die Reise antrat, die 
Augen und Ohren so weit wie möglich zu öffnen und so wenig wie mög- 
lich zu sprechen. In letzterer Beziehung bin ich bange, daß meine Mission 
fehlgeschlagen sei. Ich sah bedeutend mehr Dinge, als viele von Ihnen 
glauben mögen. Ich hörte gleichfalls sehr viele Dinge, darunter viele 
freundliche Worte von Personen und Jubelrufe Tausender Ihrer Lands- 
leute. Was ich in Ihrer Gegenwart ausspreche, spreche ich in Gegenwart 
Ihrer Nation aus, nämlich: herzlichen Dank für die freundliche Auf- 
nahme und die Sympathien, welche ich während meines Aufenthalts in 
Ihrem Lande fand. Es wird mir am Herzen liegen, dem Kaiser hievon 
Kenntnis zu geben. Morgen trete ich die Rückreise an. Es wäre nicht 
recht von mir, wenn ich sagen würde, daß es mir leid tut, wieder nach 
Hause zu reisen. Aber gleichzeitig überkommt mich ein trauriges Gefühl, 
das Land zu verlassen, in welchem ich mit so viel Güte und Gastfreund- 
schaft aufgenommen wurde. Lassen Sie mich meine Herren, noch sagen: 
lassen Sie uns danach trachten, Freunde zu sein, und es auch wirklich sein. 
5. März. (Washington.) Präsident Roosevelt empfängt 
Delegierte der Buren und lehnt die von ihnen gewünschte Inter- 
vention im Südafrikanischen Kriege ab. 
11. März. (New-York.) Prinz Heinrich reist an Bord 
des Lloyddampfers „Deutschland“ nach Europa ab. Depeschenwechsel 
 
	        
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