Vord-Inerika. (Dezember 9.—Ende.) 317
keiten unter den zivilisierten Völkern zu schlichten. Die Errichtung eines
Schiedsgerichtshofes im Haag sei in dieser Hinsicht ein gutes Omen, es
würde weit besser sein, ein solches permanentes Tribunal, wenn immer
möglich anzurufen, als für einen bestimmten Zweck spezielle Schiedsrichter
zu ernennen. Mit Columbien seien Verhandlungen im Gange, um seine
Zustimmung zum Bau des Kanals über den Isthmus durch die Ver-
einigten Staaten zu erlangen. Keine unabhängige Nation in Amerika
brauche irgendwelche Furcht zu hegen, von den Vereinigten Staaten an-
gegriffen zu werden. Jede müsse aber Ordnung in ihren Grenzen halten
und ihre Verpflichtungen gegen die Ausländer erfüllen. Wenn sie dies
tun, mögen sie, seien sie stark oder schwach, versichert bleiben, daß sie nichts
von einer Einmischung von außen zu fürchten haben. Bezüglich der
Philippinen habe sich keine Politik so gerechtfertigt, wie die dort von den
Amerikanern verfolgte. An die Ankündigung, die Armee werde auf das
gesetzlich zulässige Minimum herabgesetzt werden, knüpft Roosevelt die Be-
merkung, ein Generalstab sei dringend nötig. Auch die Flotte müsse
weitere Fortschritte machen, da gewisse Unternehmungen der auswärtigen
Politik den Besitz einer erstklassigen Flotte verlangen. Die Monroe-Doktrin
solle als Grundzug der amerikanischen auswärtigen Politik behandelt
werden und die Durchführung dieses Grundsatzes sei nur beim Besitz einer
durchaus guten Flotte möglich. Es sei gegenwärtig keine Wolke am poli-
tischen Horizont der Vereinigten Staaten und nicht die geringste Aussicht
auf Schwierigkeiten mit irgend einer anderen Macht vorhanden. Der
Präsident hoffe von Herzen, daß dieser Zustand dauernd sein möge, der
Weg aber, die Fortdauer dieses Zustandes zu sichern, sei eine schlag-
fertige Flotte.
9. Dezember. Veröffentlichung des Gegenseitigkeitsvertrages
mit Kuba.
Der Vertrag soll fünf Jahre in Kraft bleiben und eine 20prozentige
Zollermäßigung für alle Produkte aus Cuba gewähren mit einer weiteren
20prozentigen Bevorzugung für Cuba, wenn die Vereinigten Staaten
ähnliche Verträge mit anderen Mächten abschließen. Für amerikanische
Erzeugnisse, die nach Cuba eingeführt werden, ist eine Durchschnittsermäßi-
gung von 30 Prozent angesetzt.
16. Dezember. (Washington.) Verhandlung Italiens mit
den Vereinigten Staaten über Venezuela.
Der italienische Botschafter erklärt dem Staatssekretär Hay, daß
Italien gehofft habe, ebenso wie Frankreich eine befriedigende Regelung
der Forderungen an Venezuela zu erlangen. Es habe daher eine in ent-
schiedenen, aber höflichen Worten gehaltene Note, nachdem Deutschland
und England Ultimatums gestellt haben, an Venezuela gerichtet. Der
Ton der Antwort, in der die italienischen Forderungen abgelehnt wurden,
sei aber für Italien durchaus beleidigend gewesen. Italien sah sich daher
genötigt, sich der Flottendemonstration Deutschlands und Englands anzu-
schließen. Italien werde genau nach der Auslegung handeln, die Prä-
sident Roosevelt der Monroe-Doktrin gegeben habe. — Der Staatssekretär
stimmt durchaus zu.
Ende Dezember. Schiedsgericht in der Venezuelafrage.
Deutschland, England und Italien ersuchen den Präsidenten Roose-
velt das Schiedsgericht in dem Streite mit Venezuela zu übernehmen
Falls der Präsident ablehnt, erklären sie sich bereit, den Streit unter ge-