Mebersicht der politischen Eutwiczelnus des Jahres 1902. 351
sollen nach einer Schätzung die Privatschulen, zwei die Boardschulen
besuchen. Im Laufe der Jahre hat sich nun herausgestellt, daß
die Privatschulen immer schwerer ihre Mittel aufbringen konnten
und den Boardschulen gegenüber in Nachteil gerieten: diese konnten
durch Erhöhung der Schulsteuern ihre Lehrer besser besolden, ihre
Organisation ausbauen und so den Privatschulen eine stetig stei-
gende Konkurrenz machen. Seit längerer Zeit haben daher die
Interessenten der Privatschulen Erhöhung der staatlichen Zuschüsse
verlangt, in erster Linie die anglikanische Geistlichkeit, deren Rich-
tung ja die meisten Privatschulen angehörten. Auf der anderen
Seite kämpften die Nonkonformisten dagegen an. Ihnen war die
Leitung der Schulen durch Private widerwärtig; sie hofften, daß
die konfessionellen Privatschulen aus Mangel an Mitteln eingehen
und so die anglikanischen Geistlichen ihren beherrschenden Einfluß
auf den größten Teil der Elementarschulen verlieren würden. Das
neue Gesetz kam aber den Wünschen der Privatschulen weit ent-
gegen. Es setzte fest, daß die staatlichen Zuschüsse bedeutend erhöht
werden sollten, ohne damit zugleich die Leitung der Schulen zu
verstaatlichen. Nur einen Anteil an der Schulaufsicht behält sich
der Staat vor, und zu dem Zwecke wird eine für die Privatschulen
und die Boardschulen gemeinsame Oberbehörde eingerichtet. Auch
die Lokalbehörden sind gemeinsam. Die bisherigen Aufsichtsbehörden
über die Boardschulen werden aufgelöst und ihre Funktionen über-
nehmen die Grafschaftsräte; über die Boardschulen erhalten sie eine
unbeschränkte Macht, über die Privatschulen eine weit geringere.
In diesen wählt das Publikum die Direktoren und ein Drittel der
Lehrer; ihr konfessioneller Charakter bleibt so streng gewahrt, daß
die Direktoren sogar vor ihrer Ernennung ein Examen über ihre
religiöse Stellung ablegen müssen. Damit ist die Herrschaft der
Anglikaner über mehr als die Hälfte der Volksschulen gesichert.
Da die konfessionellen Schulen nach dem neuen Gesetz mehr vom
Staat als von Privaten erhalten werden, so ist es nicht ver-
wunderlich, daß alle Gegner des konfessionellen Prinzips eine leb-
hafte Agitation entfalteten, die auch in der Regierungspartei, vor-
nehmlich unter den liberalen Unionisten, Anklang fand. Infolge-
dessen wurde es unmöglich, das Gesetz noch im Sommer zu erledigen,