Mebersicht der politischen Entwichelung des Jahres 1902. 357
geschlagen worden. Sein Fehlschlagen hat anscheinend die Position
der herrschenden klerikalen Partei verstärkt, wenigstens haben die
verfassungsmäßig vorgenommenen Teilwahlen die Mehrheit der
Regierung vergrößert. Die bestehende Spannung zwischen Kleri-
kalen und Sozialisten ist hierdurch verschärft worden.
In den Niederlanden find die Bestrebungen, auf irgend
eine Weise engere Beziehungen zu Deutschland herzustellen, wieder
lebhaft erörtert worden; einstweilen ist eine Kabelkonvention ab-
geschlossen worden, die noch der parlamentarischen Genehmigung
harrt. — Allseitige Teilnahme hat die vorzeitige Niederkunft der
Königin und ihre darauf folgende Krankheit erregt.
Dänemark ist vornehmlich durch die Frage, ob der An-
tillenbesitz — Hauptinsel St. Thomas — an die Vereinigten Staaten
abgetreten werden soll, beschäftigt worden. Der zwischen den Re-
gierungen abgeschlossene Vertrag scheiterte im Landsthing, das den
Verzicht mit der Nationalehre für unvereinbar hielt. Die ein-
gehende Diskussion der Angelegenheit hat die Wirkung gehabt, daß
mit größerer Energie als bisher die wirtschaftliche Ausbeutung der
Kolonie betrieben werden soll.
In Schweden hat das Verlangen nach Erweiterung des
Reichstagswahlrechts ähnliche Demonstrationen unter den Arbeitern
hervorgerufen wie in Belgien. Selbst der Versuch des General-
streiks fehlte nicht, aber die Unruhen nahmen einen weit weniger
bedrohlichen Charakter an als dort, weil die Reichstagsmehrheit
der Forderung zustimmte und somit gar keine Ursache vorhanden
war, einen Versuch zur Unterwerfung der parlamentarischen Ge-
walten unter den Willen der Masse zu machen. Die Masese konnte
vielmehr in Ruhe abwarten, ob die Regierung dem Begehren des
Reichstags willfahren und in der kommenden Session die populären
Wünsche erfüllen wird. Die Aussichten darauf haben sich gebessert,
da bei den Wahlen im Herbst die reformfreundliche Linke einige
Erfolge erzielt hat. — In Norwegen scheint sich von der herr-
schenden radikalen Partei ein Flügel absondern zu wollen, der ein
freundlicheres Verhältnis zu Schweden anzuknüpfen bemüht ist.
So ist in den Verhandlungen des Storthing über die Landesver-
teidigung die Regierung wiederholt aufgefordert worden, mehr