Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

40 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar Mitte — 19./26.) 
Es sollen erworben werden: 1. 52 in den Kreisen Recklinghausen 
und Lüdinghausen belegene, von dem Erben Vohwinkel angebotene Stein- 
kohlenfelder, 2. das Steinkohlenbergwerk Waltrop bei Waltrop, 3. sämtliche 
Kuxe der Gewerkschaft Vereinigte Gladbeck: Bergmannsglück, Gute Hoff- 
nung und Berlin, 4. das der Gewerkschaft Deutscher Kaiser zu Hamborn 
gehörige Steinkohlenfeld Potsdam, sowie die Rechtsansprüche dieser Gewerk- 
schaften auf zwei zwischen den Feldern Potsdam und Berlin belegenen 
Bohrlöchern bezw. auf hierauf angelegte Steinkohlenmutungen. 
Mitte Februar. (Württemberg.) Eine Petition von etwa 
90000 katholischen Familienvätern wünscht Beibehaltung der geistlichen 
 Schulaussicht. 
17./21. Februar. (Reichstag.) In der Beratung des Militäretats 
 wird von Rednern der Linken und des Zentrums eine schärfere 
Bestrafung des Duells verlangt; ferner werden viele Einzelheiten 
aus dem Prozeß Krosigk (S. 7) getadelt. 
19./26. Februar. (Reichstag.) Versuch eines Kompromisses 
in der Zollfrage. Ablehnung durch die Regierung. 
In der Zollkommission bringen die Abgeordneten Graf Schwerin 
(kons.), Herold (Zentr.) und v. Kardorff (Rp.) einen Kompromißantrag zu 
den Getreidezöllen ein, nach dem der Minimalzoll für Weizen und Spelz 
6 Mark, für Roggen, Gerste und Haber 5½ Mark, der Maximalzoll für 
Weizen und Spelz 7½ Mark und für Roggen, Gerste und Haber 7 Mark 
betragen soll. Der Antrag ist unterzeichnet von 15 Mitgliedern, nämlich 
von Herold (Zentr.), Gröber (Zentr.), Klose (Zentr.), Pingen (Zentr.), 
Spahn (Zentr.), Speck (Zentr.), Trimborn (Zentr.), Graf Schwerin (kons.), 
Kardorff (Rp.), Gamp (Rp.), Graf Kanitz (kons.), Rettich (kons.), Sieg 
(nat.lib.), v. Komierowski (Pole) und Gäbel (Refp.). Die Blätter der Linken 
rechnen darauf, daß die Regierung den Vorschlag ablehnt, die Presse der 
Antragsteller fordert Annahme des Antrags ohne Rücksicht auf die Haltung 
der Regierung. Der Presse des Bundes der Landwirte sind die vor- 
geschlagenen Zollsätze noch nicht genügend. 
In der Beratung des Kompromißantrags erklärt Staatssekretär 
Graf Posadowsky: Für die Regelung unserer Zollsätze können nur die 
Bruttokosten der Erzeugung diesseits und jenseits der Grenze maßgebend 
sein. Die Zollsätze des Entwurfs für Getreide stellen die äußerste Grenz- 
linie dar. Von einem Doppeltarif ist im Entwurf nicht die Rede. Die 
Festlegung von Minimalsätzen für 4 Getreidearten soll nur eine feierliche 
Erklärung der Absichten der Regierung sein. 4 Minimalzölle machen aber 
noch keinen Doppeltarif. Im Tarifentwurf sind die verschiedenen inlän- 
dischen Interessen gegen einander abgewogen worden. Nachdem nun aber 
einmal diese Ausgleichung der Interessen im Tarifentwurf stattgefunden 
hat auf Grund aufrichtigsten Wohlwollens für die landwirtschaftlichen 
Interessen und nach reiflichster Prüfung aller in Frage kommenden Ver- 
hältnisse muß es als durchaus ausgeschlossen bezeichnet werden, daß die 
Minimalzölle dem Antrag Herold entsprechend erhöht würden. Wolle die 
Mehrheit des Reichstags um jeden Preis hohe Zölle aufrecht erhalten, 
dann muß sie das System der Minimalzölle ganz fallen lassen und alles 
dem Belieben der Regierung anheimstellen. Der Staatssekretär schließt: 
„Angesichts der früheren Erklärungen des Reichskanzlers wird es nicht 
überraschen, wenn ich jetzt erkläre, daß die Zustimmung der verbündeten
	        
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