Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Das Penische Reith und seine einzelnen Glieder. (März Anfang.) 43 
ihre Stellungnahme gegen einen höheren Gerstenzoll die vitalsten Inter- 
essen der baherischen Bauern geschädigt habe und erklärt im Namen seiner 
bayerischen Landtagsfraktion und im Namen der bayerischen Mitglieder 
des Zentrums des Reichstags, daß die Zolltarifvorlage in ihrer jetzigen 
Gestalt für sie unannehmbar sei. Wenn der Zolltarif falle, so trage daran 
die bayerische Regierung mit ihrer Ablehnung des höheren Gerstenzolles 
die Schuld. — Finanzminister Frhr. v. Riedel: die Regierung sei stets 
bestrebt gewesen, alles zu tun, was der Landwirtschaft nutzt, aber die 
Grenze dabei liege in der Rücksicht auf die Konsumenten, den Handel und 
die Industrie. Die verbündeten Regierungen seien bezüglich der Mindest- 
und Meistsätze für Gerste einig, gerade weil alle der Landwirtschaft helfen 
wollen Der Minister verwahrt sich nachdrücklich gegen die Angriffe Heims 
und warnt davor, die Wirkung einer etwaigen Ablehnung des ganzen 
Zolltarifs zu unterschätzen. Dann hätte die Landwirtschaft gar nichts er- 
reicht und werde nur selbst unter der Lähmung der Industrie mitleiden. 
Anfang März. (Braunschweig.) Denkschrift der Regie- 
rung über die Regentschaft und das Erbrecht des Herzogs von 
Cumberland. 
Von welfischen Kreisen war die Forderung erhoben worden, die 
braunschweigischen Landesgesetze in der Eingangsformel als vom Regenten 
„im Namen des Herzogs von Cumberland“ erlassen zu bezeichnen. Die 
Regierung legt als Antwort darauf dem Landtag eine Denkschrift vor, in 
der sie ausführt, daß der Regent die Regierungsverwesung unbeschränkt 
mit allen daraus erwachsenden Rechten und Befugnissen bis zu dem Re- 
gierungsantritt des Thronfolgers führe und daß er die Regentschaft nicht 
im Namen einer bestimmten Person, sondern kraft eigenen Rechts im 
Namen dessen führe, den es angeht. Er sei nicht Souverän, sondern 
Regent, aber als Regent nicht von einer bestimmten Person abhängig. 
Seine auf gesetzlicher Basis im Recht begründete Stellung sei die Stellung 
des mit voller Machtvollkommenheit ausgestatteten Fiduciars in das Staats- 
recht übersetzt und auf das fürstliche Amt übertragen. Der Herzog von 
Cumberland sei schon deshalb nicht als Landesherr anzusehen, weil er nicht 
Bundesfürst ist. Da die Regentschaft nicht im Namen des Herzogs von 
Cumberland geführt werde, so werde sie auch durch den Todesfall des 
Herzogs nicht berührt. Die Austragung der aus dem Jahre 1866 stam- 
menden Differenz kann nur von den beteiligten Faktoren ausgehen. Ohne 
in dieselbe einzugreifen und unter strenger Wahrung der damit gezogenen 
Grenze ist es Aufgabe des Staates gegenüber den durch höhere Gegensätze 
bedingten Schwierigkeiten bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Bundes- 
verhältnisses den regelmäßigen Lauf der Regierung nach Möglichkeit zu 
sichern. Den Konflikt zu schärfen, widerspricht den Interessen des Landes. 
Daß seine nachteiligen Folgen vom Lande bisher glücklich fern gehalten 
sind, ist in erster Linie dem Regentschaftsgesetze und seiner verfassungs- 
mäßigen Durchführung zu danken. 
3. März. (Reichstag.) Etat des Auswärtigen Amts. 
Chinapolitik. Reise des Prinzen Heinrich. Südafrikanischer Krieg. 
Abg. v. Hertling (3.) wendet sich gegen die von mehreren Seiten 
ausgesprochene Befürchtung, daß die Zurücklassung deutscher Truppenteile 
in China zu neuen Verwicklungen Anlaß geben könne. Man dürfe sich 
der Aufgabe, die deutschen Interessen in entlegenen Weltteilen zu schützen, 
nicht entziehen. Das englisch-japanische Abkommen sei für Deutschland
	        
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