52 Das Dentsqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (März 11.)
werden kann. Die Stellung, welche die auswärtige Vertretung des Deutschen
Reiches und des Königreichs Preußen hiebei übernahm, gibt mir vielleicht
das Recht zu Bemerkungen, die über den Rahmen des hohen Hauses und
des Reichstags hinausgehen und sich sowohl an Sie, wie auch an die All-
gemeinheit wenden.
Die Opfer an Gut und Blut, die in England standhaft geleistet
wurden, der große Verlust an Menschenleben, der starke Abgang an aus-
gezeichnetem Offiziermaterial, die Höhe der erforderlichen Ausgaben, die
dadurch bedingte Anziehung der Steuerschraube, — wenn alles das er-
wogen wird, werden Sie zugeben, daß es menschlich und natürlich ist,
wenn sowohl bei einzelnen wie bei der Nation die Empfindlichkeit wächst.
Das harte Wort wird doppelt tief empfunden, freundlicher Zuspruch doppelt
freundlich aufgenommen. Wenn ich die Empfindungen unserer Nation
recht verstehe, geht unser Wunsch dahin, daß wir den Notleidenden in
Südafrika nach Möglichkeit helfen. Das ist nicht anders möglich, als mit
Zustimmung und Unterstützung von englischer Seite, ohne die wir über-
haupt nicht an die Buren herankommen können. Um diese Unterstützung
und Hilfe uns zu sichern, ist es meines Erachtens geboten, die Empfind-
lichkeit der englischen Regierung und Nation nach Möglichkeit nicht heraus-
zufordern. Dazu bedarf es keiner Liebedienerei. Der deutschen Politik
liegt auch Liebedienerei gänzlich fern; unsere Politik treiben wir niemand,
als dem deutschen Volke zuliebe. (Bravo.) Ich glaube auch, daß man so
handeln kann, ohne unsere eigenen Ansichten über den Krieg selbst auf-
zugeben. (Bravo! Sehr richtig!) Aber nur wenn wir diese Empfindlich-
keit berücksichtigen, werden wir weiter in Südafrika im Dienste der Mensch-
lichkeit wirken können. Was sollen wir tun, um in dieser Beziehung viel-
leicht die Situation in England etwas zu ändern? In Frage kommt
zunächst wohl etwas gerechtere Kritik. Verteilen wir Licht und Schatten
etwas gerechter, als bisher geschehen ist. Nehmen wir nicht immer gleich
von vornherein an, daß alles, was von englischer Seite geschieht, zu Un-
recht und schlecht geschieht. Ich darf wohl ein Beispiel citieren. Ich las
haarsträubende Beschreibungen über die Gefangenenlager. Vor einigen
Tagen nun war bei mir einer unserer Generale, der in der Lage ist, aus
eigener Erfahrung darüber zu berichten. Der sagte zu mir: Ich halte es
für meine Pflicht — und ermächtige Sie, von meinem Namen Gebrauch
zu machen —, zu erklären, daß ich die Gefangenenlager in Ceylon als
mustergültig vorfand. Es war General v. Trotha, der frühere Kommandeur
der Schutztruppe von Ostafrika, der auf der Rückkehr von China in Ceylon
Aufenthalt genommen hatte. Er fügte hinzu, die Küchen und die hygieni-
schen Einrichtungen im Lager seien geradezu erstklassig. Die ehemals
deutschen Offiziere, die sich dort befanden, brachten ihm als einzige Be-
schwerde vor, daß keine genügende Abwechslung in der Kost bestehe. Darauf
habe er erwidert: Ja, Kinder, wenn ihr erwartet, daß euch die Engländer
von Zeit zu Zeit K viar und Austern servieren, so ist das doch etwas viel
verlangt. Meines Erachtens würde es der Würde einer Nation keinen
Abbruch tun, wenn wir auch menschliche Sympathie bezeugten, wie z. B.
bei der gestern gemeldeten schweren Verwundung von Lord Methuen, eines
Mannes, der Jahre hindurch als Militärattaché hier in Berlin war, sich
der besonderen Wertschätzung der beiden ersten Kaiser erfreute, und in
weiten Kreisen der Hauptstadt ein freundliches Andenken hinterließ.
Wie gesagt, ich glaube, daß es nur durch die Schonung der nationalen
Gefühle möglich ist, weiter auf dem Wege vorzuschreiten, den das Buren-
hilfskomitee andeutete, und den zu gehen, wir sehr gern bereit sind. (Bravo.)
Ich denke, daß wir in erster Linie jetzt dahin zu wirken suchen, daß es