Das eutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 12./13.) 53
schließlich doch gestattet wird, Ambulanzen nach Südafrika zu senden.
Eines der Mitglieder des Hauses hat mir vor kurzem einen Burenarzt
zugeführt, einen Oesterreicher, Dr. Albrecht, welcher eine bewegliche Schil-
derung von den dortigen Verhältnissen machte und anscheinend auch mit
der englischen Behörde im besten Einvernehmen gelebt hat. Er führte
uns gegenüber aus, wie notwendig es sei, den Buren Ambulanzen zuzu-
führen, nicht bloß im Interesse der verwundeten Buren, sondern auch nicht
minder im Interesse der verwundeten Engländer. Er teilte uns mit, daß
die Buren englische Ambulanzen nicht wohl zulassen können mit Rücksicht
auf die Gefahr, daß die militärischen Maßnahmen dadurch den Engländern
bekannt werden können, daß aber für fremde Ambulanzen der Weg offen
würde zu den Buren, vorausgesetzt, daß sie von englischer Seite durch-
gelassen würden. Wir werden also in dieser Richtung das Möglichste tun,
aber dazu ist es dringend notwendig, daß die Engländer doch schließlich
die Ueberzeugung gewinnen, daß wir trotz allem und allem ihre Verwandten
und beiderseits auf freundliche Beziehungen angewiesen sind. So kommen
wir vielleicht noch weiter. Dann können wir vielleicht, ohne uns eine
schroffe Ablehnung zuzuziehen, als Vettern diesseits des Kanals zu den
Vettern jenseits des Kanals sprechen und unser Fürwort einlegen für die
gemeinsamen Vettern in Südafrika. Wenn Sie dazu helfen, in Ihren
Kreisen, in der Presse und in der Allgemeinheit des deutschen Volkes, dann
leisten Sie, meiner Ansicht nach, den Buren selbst den größten Dienst. (Beifall.)
12. März. (Halberstadt.) Der Militärschriftsteller Fritz
Hoenig, Herausgeber der „Deutschen Heereszeitung“, f.
12./13. März. (Reichstag.) Konflikt zwischen Agrariern
und der Regierung über Zölle auf Gemüse und Blumen.
Staatssekretär Frhr. v. Richthofen erklärt einen Zoll auf frisches
Gemüse und Blumen für unannehmbar (12. März), trotzdem setzt die Kom-
mission hohe Zollsätze fest. Staatssekretär v. Richthofen erklärt hiezu (13.):
Die verbündeten Regierungen würden keinen Zweifel darüber lassen, daß
sie nötigenfalls auch gegen die Beschlüsse der Kommission Handelsverträge
abschließen und dabei für Gemüse und Blumen Zollfreiheit gewähren würden,
ohne dafür Kompensationen zu verlangen. Im englischen und wohl auch
in keinem anderen Parlament wäre es denkbar, daß so gewichtige Erklä-
rungen, wie er sie am Mittwoch im Namen der verbündeten Regierungen
abgegeben habe, in der Debatte kaum gestreift und bei der Abstimmung
ohne Wirkung geblieben wären. Wenn die Leitung der auswärtigen Politik
so gewichtige Erklärungen abgebe, wie dies durch seinen Mund geschehen
sei, so habe doch der Reichstag allen Anlaß, anzunehmen, daß sie ihre guten
Gründe dafür habe. Das Ausland werde leider aus den Beschlüssen zu
der Annahme gelangen, daß die Mehrheit der Kommission Handelsverträge
mit den durch dieselben betroffenen Staaten überhaupt nicht wolle. Ein
solcher Eindruck müsse von Grund aus zerstört werden.
Abg. Frhr. v. Wangenheim (d. d. Ldw.): Die Kommission sei
nicht der Ort, über diese Fragen endgültig zu entscheiden. Das sei Sache
des Plenums. Die Regierung hätte sich deshalb ihre Erklärung für das
Plenum ersparen sollen. So wie die Dinge jetzt liegen, hätte das Vor-
gehen des Frhrn. v. Richthofen nur dazu geführt, klarzustellen, daß zwischen
der Majorität der Kommission und der Reichsregierung absolut gegensätz-
liche wirtschaftliche Anschauungen herrschen. Der Regierung scheine das
Interesse der Italiener wichtiger zu sein als das der heimischen Produ-
zenten, welches die Mehrheit der Kommission vertrete.