2 HNos Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 8.—13.)
8. Januar. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt
über die Lage der Reichsfinanzen und die Mittel zu ihrer Ver-
besserung:
Wenn der Mehrertrag aus dem neuen Zolltarif infolge des Vor-
gehens des Reichstages nicht zur dauernden Herstellung des Gleichgewichtes
zwischen Einnahmen und Ausgaben ausreicht, so wird sich der Reichstag
nicht der Verpflichtung entziehen können, zur Ausfüllung der durch seine
eigenen Beschlüsse in den Einnahmen des Reiches entstandenen Lücke seiner-
seits mitzuwirken. Daß dabei direkte Steuern, insbesondere Einkommen-
steuern oder Vermögenssteuern, nicht in Betracht kommen können, unter-
liegt schon jetzt keinem Zweifel. Wenn in einzelnen liberalen Blättern
wieder von einer solchen Ergänzung der Reichseinnahmen die Rede ist, so
hat man es mit Gedankenspielereien ohne jeden praktischen Wert zu tun.
Das Reich wird seinen Ausgabebedarf, abgesehen von Stempelsteuern,
immer nur im Wege der indirekten Steuern decken können.
Anfang Januar. Der Botschafter in Washington, v. Hol-
leben, nimmt Urlaub; mit seiner Vertretung wird der General-
konsul in Kalkutta, Frhr. Speck v. Sternburg, beauftragt.
10. Januar. (Reichslande.) Angebliche Einwanderung
französischer Kongregationen.
Gegenüber einer wiederholt aufgetauchten und insbesondere von einem
römischen Blatt verbreiteten Nachricht, daß Elsaß-Lothringen von franzö-
sischen Ordensangehörigen überschwemmt werde, erklärt die amtliche „Straß-
burger Korrespondenz“, daß kein Angehöriger einer französischen Kongre-
gation die Erlaubnis zur Ausübung einer Ordenstätigkeit in Elsaß-Lothringen
erhalten hat und auch keinem Angehörigen einer französischen Kongregation
der dauernde Aufenthalt im Lande und keiner der in Frankreich aufgelösten
Ordensgesellschaften die Niederlassung in Elsaß-Lothringen gestattet wurde.
12. Januar. (Bayern.) Die Führer des Reformkatholizis-
mus, Professor Schell und Dr. Schnitzer, treten aus dem Komitee
des „20. Jahrhunderts“ aus. (Vgl. 1902 S. 72.) Die Austritte
werden von der liberalen Presse auf die Agitation des Nuntius
gegen den Reformkatholizismus zurückgeführt.
13. Januar. (Preußen.) Ministerpräsident Graf Bülow
eröffnet den Landtag mit folgender Thronrede:
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Land-
tages! Se. Majestät der Kaiser und König haben mich mit der Eröffnung
des Landtages der Monarchie zu beauftragen geruht. Die bevorstehende
Tagung ist die letzte einer arbeitsreichen Legislaturperiode. Die Ihnen zu
unterbreitenden Vorlagen beschränken sich deshalb auf notwendige und un-
aufschiebbare Maßnahmen. Schon bei Ihrer letzten Berufung ist auf die
wenig befriedigende Gestaltung der Finanzlage des Staates hingewiesen
worden. Die Rechnung des Jahres 1901 hat mit einem Fehlbetrage von
rund 37½ Millionen Mark abgeschlossen. Auch für das laufende Etats-
jahr wird nach den bisherigen Ergebnissen ein wesentlich günstigerer Ab-
schluß nicht erwartet werden können. Zwar ist in den letzten Monaten
im Verkehre auf den Staatseisenbahnen eine geringe Steigerung eingetreten,
doch wird der Reinertrag hinter dem Voranschlag erheblich zurückbleiben.