Hus Beutsthe Neich und seine einzelnen Glieder. (Juni Anf.—3.6.) 99
Anfang Juni. (Bayern.) Der Ministerpräsident Frhr.
v. Podewils erklärt in einer Unterredung nach seinem Besuch in
Berlin, für die Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes sei im
Bundesrate keine Majorität vorhanden. Preußen und Bayern seien
fast allein dafür.
3.5. Juni. (Darmstadt.) Tagung des evangelisch-sozialen
Kongresses unter Vorsitz von Professor Ad. Harnack.
Hauptreferate: Prof. D. Wilhelm Herrmann-Marburg „Die sittlichen
Gedanken Jesu in ihrem Verhältnis zu der sittlich-sozialen Lebensstellung
der Gegenwart“. Prof. D. Adolf Wagner-Berlin „Das ethische und soziale
Moment in Finanzen und Steuern“. Prof. D. Dr. Kahl-Berlin „Die Re-
form des deutschen Strafrechts im Lichte evangelischer Sozialpolitik“. Ober-
lehrerin Fräulein Laura Herrmann-Berlin „Welches ist das Ziel der höheren
Mädchenschule?“
3.6. Juni. (Frankfurt a. M.) Das Kaiserpaar wohnt
dem Wettstreit der Gesangvereine bei. — Artillerie-Regiment „Frank-
furt". — Preisverteilung. Aufgabe des Männergesanges.
Auf die Begrüßung durch den Bürgermeister Adickes erwidert der
Kaiser (4. Juni): Es ist Mir ein Bedürfnis, im Namen Ihrer Majestät
der Kaiserin und in Meinem der Stadt Frankfurt aus tiefem Herzen
warmen Dank zu sagen für die Tage, die sie uns bereitet. Spontan, ein
Ausbruch herzlicher Gefühle, war der gestrige Empfang, getragen von dem
aus vielen tausend Kehlen gesungenen deutschen Liede. Es war so recht
das Bild der kräftig sich regenden, nach allen Richtungen sich entwickelnden,
großen Metropole, der Erfolg dessen, was das Schwert Meines siegreichen
Großvaters für das Vaterland errungen hat, ein Beweis dafür, wie gut
es Frankfurt unter preußischer Krone gegangen ist. Am Kyffhäuser her
7 Meine Bahn zur alten Römerstadt ein. Das Kyffhäusertor ist ge-
prengt und offen sind die Tore und Gassen der Stadt Frankfurt geworden,
vergangen die alten Zeiten und zur Geschichte geworden. Das neue Deutsche
Reich hat Frankfurt zur neuen Bedeutung sich entwickeln sehen und so ist
es denn Mein Wunsch, wie schon in früherer Zeit aus Frankfurt die ersten
schönen Sprößlinge des deutschen Liedes erstanden und wie heute zum
erstenmal in ihren Mauern deutsche Männer sich versammelt haben, um
nach alter Sitte im Liede miteinander zu ringen, so möge in Verbindung
mit der modernen Entwicklung und Ausgestaltung der Stadt wie hier im
Rathause die Pflege der alten Traditionen und der alten Geschichte der
Stadt Hand in Hand gehen; denn nur wer seine Geschichte pflegt, wer
seine Traditionen hoch hält, kann in der Welt etwas werden. Die Ordens-
kette, die Sie um die Schultern Ihres Oberbürgermeisters glänzen sehen,
ist ein Beweis dafür, wie gerade auf einem Meinem Herzen so nahe-
liegenden und von Mir so eifrig durchforschten Gebiete, dem der sozialen
Politik, Frankfurt an der Spitze marschiert, und wie es Mir am Herzen
lag, die Stadt und ihr Oberhaupt dadurch zu zieren und Mein vollstes
Einverständnis zu erklären mit den Wegen, die Sie hier eingeschlagen
haben zum Segen für Ihre Bürger und zum Beispiel für das Vaterland.
Es ist Mir aber wohlbekannt, daß außerdem noch ein Wunsch die Brust
Frankfurts bewegt, dem ich gerne Folge geben werde. Es ist schon lange
der Wunsch, daß die Zusammengehörigkeit der Stadt mit ihrer Garnison
durch ein äußeres Band auch in der Heeresgeschichte sich kennzeichnen möge,
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