Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

100 HNas Venische Reich und seine einzelnen Elieher. (Juni 3./6.) 
und diesem Wunsche der Frankfurter Patrizier entgegenkommend, habe ich 
befohlen, daß vom heutigen Tage an das 2. hessische Artillerie-Regiment 
Nr. 63 „Frankfurt“ heißen soll. So möge auch die Garnison in Ver- 
bindung mit der Bürgerschaft Frankfurts in Friede und Freundschaft, stolz 
auf ihren Namen auch Ihnen, den Bürgersöhnen, ein Heim bieten, und 
möge Gottes reichster Segen auf allen Ihren Unternehmungen ruhen, auf 
welchem Gebiete es auch sei. Das ist Mein heißester Wunsch und darauf 
leere Ich den Pokal auf das Wohl der Stadt Frankfurt. Hurra, hurra, hurra! 
Bei der feierlichen Preisverteilung an die Sängervereine richtete 
der Kaiser an die Dirigenten folgende Ansprache: Meine Herren! Ich 
habe Sie zusammengerufen, um Ihnen zunächst Meine Freude auszusprechen, 
daß so viele Vereine der Aufforderung des Rundschreibens gefolgt sind 
und sich an dem Wettgesang beteiligt haben. Es ist das ein Beweis für 
die Arbeitsfreudigkeit und Sangesfreudigkeit unter Ihnen und zu gleicher 
Zeit ein Beweis dafür, wie rege das Interesse an der Pflege des Gesanges 
unter den Vereinen blüht. Ich will hierbei doch Gelegenheit nehmen, die 
Herren auf einiges aufmerksam zu machen, das auch für Sie vielleicht von 
Interesse sein kann, da es nicht nur der Ausfluß Meiner eigenen An- 
schauung, sondern auch fast aller Zuhörer ist. Ich muß auf die Wahl 
Ihrer Stücke einen Augenblick eingehen. Die Absicht, die bei diesem Ge- 
sangwettstreit vorgelegen hat, war die, daß durch ihn der Volksgesang, die 
Pflege des Volksliedes, gehoben und gestärkt und in weite Kreise verbreitet 
werden soll. Nun haben die Herren Kompositionen gewählt, die von un- 
serem altbekannten guten Volkslied und Volkston wesentlich entfernt lagen. 
Sie haben Ihren Chören kolossale Aufgaben gestellt: sie sind zum Teil 
geradezu bewunderungswürdig gelöst worden, und Ich muß sagen, es hat 
uns alle in Erstaunen gesetzt und ergriffen, daß hier Hunderte von Män- 
nern, die vielleicht am Tage 8—12 Stunden in schwerer Arbeit, in un- 
günstiger Temperatur, umgeben von Staub und Rauch, gearbeitet haben, 
in der Lage gewesen sind, durch eifriges Studium und selbstlose Hingabe 
an die Arbeit so schwere Aufgaben zu übernehmen, wie wir sie hier ge- 
hört haben. Ich möchte aber glauben, daß in der Beziehung vielleicht 
die Dirigenten zum Teil selbst gefühlt haben, daß in der Wahl der Chöre 
das Aeußerste erreicht ist, was wir von Männergesangvereinen verlangen 
können. Ich möchte dringend davor warnen, daß sie nicht etwa auf den 
Weg treten, es philharmonischen Chören gleichzutun. Meine Ansicht ist, 
der Männergesangverein ist dazu nicht da. Er soll das Volkslied pflegen. 
Von den Kompositionen, die unserem Herzen nahe stehen, ist merkwürdig 
wenig gesungen worden. Sechs= bis siebenmal Hegar, achtmal Brambach. 
Ich kann Ihnen offen gestehen, wenn man diesen Meister öfters hinter- 
einander hört, dann würde man jeden Verein mit Jubel begrüßen, der 
nur einmal „Wer hat dich, du schöner Wald“ oder „Ich hatt' einen 
Kameraden" oder „Es zogen drei Burschen“ gesungen hätte. Diese Kom- 
positionen sind außerordentlich wertvoll für die Ausbildung der Technik. 
Es ist, als ob ein besonders hohes Sprunggestell aufgestellt würde; aber 
es mangelt Hegar und Brambach zu sehr an Melodik. Zudem komponieren 
die Herren Texte, die etwas lang sind. Ich bin im allgemeinen sehr 
dankbar, daß so schöne und patriotische Texte gewählt wurden, die von 
alten Kaisersagen und großer Vorzeit handeln. Ich glaube aber, daß zum 
Teil die Komponisten den Texten nicht gerecht werden. Es soll Meines 
Erachtens ein Chor aus schönen Männerstimmen nicht durch den Kom- 
ponisten dahin gebracht werden, daß er Tonmalerei treibt und eine orchester- 
mäßige Instrumentation nachmacht. Tonmalerei des Orchesters ist schon 
nicht immer angenehm, mit Männerstimmen noch bedenklicher. Die Länge 
 
	        
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