Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 30. August 1.) 121 
waltungsorgane ist für alle Teile der Provinz nach den gleichen Grund- 
sätzen vereinbart worden. Erst nach Eingang der Berichte, die mit äußerster 
Genauigkeit und Beschleunigung erstattet werden sollen, wird für die Staats- 
regierung die Möglichkeit gegeben sein, zu der Frage der Staats- und 
Kommunalhilfe in der schweren Bedrängnis einer blühenden Provinz definitiv 
Stellung zu nehmen. Endlich werden umfassende Maßregeln erwogen werden 
müssen, durch welche einer Wiederholung ähnlicher Katastrophen nach Mög- 
lichkeit vorgebeugt werden kann. Natürlich kann ein lückenloses Programm 
für diese vorbeugende Aktion im gegenwärtigen Augenblicke nicht aufgestellt 
werden. Daß hier in erster Linie möglichst ausgedehnte und gründliche 
Flußregulierungen und die Schaffung eines den Fortschritten der modernen 
Wasserbautechnik entsprechenden Eindeichungssystems in Frage kommen, ver- 
steht sich von selbst. Jedenfalls wird die königliche Staatsregierung der 
Lösung dieser für das Wohl und Wehe einer wertvollen, mit der Geschichte 
und den Geschicken der Monarchie engverflochtenen Provinz so außerordent- 
lich wichtigen Fragen dasjenige hervorragende Interesse zuwenden, das der 
Bedeutung des Gegenstandes entspricht.“ 
Dieser Bericht wird von allen Seiten lebhaft getadelt, namentlich 
daß die Regierung nicht sofort Hilfsmittel bereitstelle. Am 25. Juli schreibt 
die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“: „Zur Linderung des durch die 
Wasserschäden in Schlesien hervorgerufenen Notstandes hat das Staats- 
ministerium in seiner Sitzung vom letzten Freitag einen Kredit bis zur 
Höhe von 10 Millionen Mark, unter Vorbehalt der Genehmigung des 
Landtags, zur Verfügung gestellt. Die Festsetzung dieses Betrages und 
die sofortige Flüssigmachung eines Teiles der Summe ist, wie wir hören, 
auf direkte Veranlassung des Ministerpräsidenten erfolgt.“ 
Ende Juli. Es wird scharf kritisiert, daß die amerikanischen 
Millionäre Morgan und Vanderbilt von preußischen Behörden bei 
Besuch einiger Städte offiziell empfangen werden. 
30. Juli. Deutschland und die Papstwahl. Die „Nord- 
deutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt gegenüber einigen Aeußerungen 
des „Figaro“: 
„Der Pariser Figaro kommt in seiner heute hier eingegangenen 
Nummer auf die Behauptung zurück, daß der deutsche Kaiser seinen ganzen 
Einfluß aufwende, um einem ihm genehmen Kardinal bei der Papstwahl 
zum Siege zu verhelfen. Der Figaro sollte doch wissen, daß eine Unwahr- 
heit dadurch noch nicht in eine Wahrheit umgewandelt wird, daß man sie 
wiederholt. Nicht für den Figaro, der aus naheliegenden Gründen in 
dieser Frage unbelehrbar ist, sondern für solche Kreise, die sich durch die 
Ausstreuungen des Pariser Organs möglicherweise irreführen lassen könnten, 
sei hiermit nochmals festgestellt, daß von keiner deutschen Stelle Einflüsse 
zu Gunsten oder zu Ungunsten eines Kardinals aufgeboten werden. Da- 
nach wird wohl auch eine angebliche Unterredung zu bewerten sein, die 
ein Mitarbeiter des Pariser Journals in Rom mit dem Kardinal Kopp 
hatte. In dieser Unterredung soll nach einem Telegramm der Vossischen 
Zeitung Kardinal Kopp allerlei Aeußerungen über Winke und Anregungen 
des deutschen Kaisers bezüglich der Papstwahl gemacht haben." 
1. August. Die mit den Verhandlungen über den russischen 
Handelsvertrag betrauten Kommissare begeben sich zur Eröffnung 
der Verhandlungen nach Petersburg.