Das Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (August 28. 29.) 127
peter hier vornehmen konnte, haben Mich befähigt, die Arbeitslast auf die
Schultern zu nehmen, die von Tag zu Tage in wachsender Bürde zu-
nimmt. Und wenn schon damals Meine Lehrer, überzeugt von der hohen
Aufgabe, die ihnen übergeben war, alles daran setzten, jede Stunde und
jede Minute auszunutzen, um Mich für den kommenden Beruf vorzu-
bereiten, so glaube Ich doch, daß niemand von ihnen sich darüber hat
klar sein können, welche ungeheure Arbeitslast und welche niederdrückende
drückende Verantwortlichkeit demjenigen aufgebürdet ist, der für 58 Mil-
lionen Deutsche verantwortlich ist. Jedenfalls bereue Ich keinen Augen-
blick die Mir damals schwer vorgekommenen Zeiten, und Ich kann wohl
sagen, daß die Arbeit und das Leben in der Arbeit Mir zur zweiten Natur
geworden sind. Und das danke Ich dem Kasselaner Boden. Schmerzlich
bewegt es Mich, daß Ich am heutigen Tage, ehe Ich das Wohl der Kro.
vinz ausbringe, zugleich das Scheideglas für Ew. Exzellenz trinken muß.
Wenn etwas Meinen tiefen Schmerz noch erhöht, so ist es das, daß Ich
mit Rührung sehe, wie aus allen Teilen der Provinz uneingeschränkt die
Trauer sich kundgibt über Ew. Exzellenz Scheiden. Wenn auch die Pro-
vinz vollinhaltlich begreift, daß, wo die Not am höchsten ist, der Fürst
zu dem Mann greifen muß, der ihm der rechte an Ort und Stelle zu
sein scheint, da empfindet sie es doch tief, daß ihr das Oberhaupt genommen
wird. Das beweist, daß Ew. Exzellenz die Aufgaben hier noch in weit
höherem Maße zu erfüllen im stande waren, wie Ich bei der Berufung
gehofft hatte. Es ist Ihnen gelungen, in der Provinz Vertrauen zu ge-
winnen und diese verschiedenartige Bevölkerung an Ihre Persönlichkeit zu
fesseln und sie mit Vertrauen und Zuversicht zu erfüllen, daß sie freudig
an ihre schwere Arbeit ging. Verschieden sind die Gaben von Natur und
Vorsehung in diesem Lande ausgebreitet. Sehen wir einen Teil desselben
in hartem Ringen um den Ertrag des Bodens erstarken, so können wir
auf der anderen Seite die Industrie, zumal im südlichen Teile, sich ent-
wickeln sehen. Auch Kunstdenkmäler und historische Erinnerungen, schöne
Kirchen, wie Erinnerungen an noch ältere Zeiten, so die Burg auf dem
Taunus, wo der eherne Schritt der römischen Legionäre einst auf Geheiß
der Cäsaren römische Kultur den unbändigen Germanen einprägte, alles
das vereinigt sich in dieser Provinz. Das erfordert von dem Oberpräsi-
denten ein solches Maß verschiedener Kenntnisse, daß es eingehender und
tiefgreifender Selbstarbeit bedarf, um allen diesen Gebieten einigermaßen
gewachsen zu sein. Wo Ich hingehört habe, in jedem Stande und jeder
Beschäftigung ertönt Ew. Exzellenz Lob. Und deshalb beglückwünsche Ich
die Provinz zu diesem Ausgang, und Ich darf wohl im Namen der Pro-
vinz Ihnen den Dank aussprechen für die aufopfernde Arbeit, der Sie
sich zu ihrem Wohle unterzogen haben. Die Provinz möge daraus er-
sehen, wie es Mir am Herzen liegt und wie Ich bestrebt bin, soweit es
in Meiner Macht steht, die Männer einzusetzen, von denen Ich glaube,
daß sie den Aufgaben gewachsen sind. Sie mögen auch in Zukunft das
Vertrauen zu Mir haben, daß Ich bestrebt bin, die Nachfolger so zu wählen,
wie es zu ihrem Wohle nötig ist. Alle Meine Wünsche fasse Ich zusammen,
indem Ich rufe: Die Provinz blühe, grüne und gedeihe! Hurra, hurra, hurra!
28. August. (Preußen.) Zum Präsidenten der Ansiedlungs-
kommission wird Landrat Blomeyer in Meseritz ernannt.
29. August. (Göttingen.) Der Vertretertag der National-
Sozialen beschließt mit geringer Mehrheit, die Partei aufzulösen
und den Parteigenossen den Anschluß an die Freisinnige Vereinigung