142 Das Neische Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 10. 11.)
ist folgende: Durch die Tagesblätter ist bekannt geworden, daß die kxgl.
Staatsregierung, entgegen ihrer in der letzten Session geäußerten Absicht,
von ihrem Rechte, bei dem Ablaufe der Zinsgarantiezeit die Pfälzischen
Lasien zu übernehmen, vorerst keinen Gebrauch machen will. Bei der
großen wirtschaftlichen, finanziellen und schließlich auch politischen Be-
deutung, welche diese Frage für das ganze Königreich und insbesondere
für die Pfalz hat, sowie angesichts des berechtigten Verlangens der Ver-
waltung und vor allem auch des Personals der Pfälzischen Eisenbahnen,
über die dadurch geschaffene Lage rückhaltlose Aufklärung zu erhalten,
scheint es dringend nötig, die Anschauung und die Pläne der kgl. Staats-
regierung schon jetzt kennen zu lernen.
Abg. Reeb (Z.) stellt folgende Interpellation: Welche Stellung nimmt
die kgl. Staatsregierung zur Frage der Verstaatlichung der Pfälzischen Eisen-
bahnen und insbesondere des Ausbaues des pfälzischen Eisenbahnnetzes ein?
Hierzu ist folgende Begründung aufgestellt: Am 31. Dezember 1904 er-
lischt mit der Fusion der drei pfälzischen Eisenbahngesellschaften die Zins-
garantie des bayerischen Staates. Der kgl. Staatsregierung ist das Recht
eingeräumt, vom 1. Januar 1905 ab die Pfälzischen Eisenbahnen zu er-
werben. Wenn die kgl. Staatsregierung von diesem Rechte Gebrauch machen
will, muß sie bis längstens 1. Januar 1904 ihren Entschluß der pfälzischen
Eisenbahnverwaltung kundgeben. Da dieser Termin nahe bevorsteht und
die Angelegenheit von großer Bedeutung ist, so glauben die unterzeichneten
Abgeordneten, die obige Frage an die kgl. Staatsregierung richten zu sollen.
Ministerpräsident Frhr. v. Podewils: Die Regierung halte es für
nötig, die Verstaatlichung noch hinauszuschieben. Die sofortige Verstaat-
lichung sei einerseits nicht notwendig, denn die Pfalz leide bei der guten
Verwaltung der Bahnen durch die Gesellschaften keinen Schaden, anderer-
seits sei es bedenklich, dem Staatshaushalt jetzt ein neues Risiko aufzu-
bürden. Dazu kommt, daß in Zukunft möglicherweise die Uebernahme-
bedingungen sich für den Staat günstiger gestalten könnten. Der Kaufpreis
sei 245,5 Millionen Mark, der Reingewinn habe im Jahre 1902 im ganzen
11 Millionen und nach Abzug der Amortisationskosten nur 9 Millionen
Mark betragen. Dieses Bild verändere sich jedoch zu Ungunsten des Staates,
da dieser für Personal, Pensionen, Bahnhofsbauten und anderes viel mehr
anwenden müsse als die Privatbahngesellschaften. Die Ausgaben würden
somit viel größer werden. Dabei sei es zweifelhaft, ob die Einnahmen
auf der bisherigen Höhe bleiben würden.
10. Oktober. (Berlin.) Der Parteitag der Freifinnigen Ver-
einigung beschließt, den Parteigenossen im Lande anheimzugeben,
ob sie unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse bei der Land-
tagswahl mit den Sozialdemokraten gemeinsam vorgehen wollen.
11. Oktober. (Posen.) Enthüllung eines Bismarckdenkmals.
An der Feier nehmen teil Fürst Herbert Bismarck, die städtischen
und Provinzialbehörden, Minister des Innern Frhr. v. Hammerstein,
Finanzminister Frhr. v. Rheinbaben, Tausende von Vereinsvertretern
und anderen Gästen. Frhr. v. Hammerstein und Frhr. v. Rheinbaben
feiern das Denkmal als Wahrzeichen deutscher Gesinnung und ermahnen
die Deutschen der Ostmark, auf dem bisherigen Wege zu verharren.
11. Oktober. (Nürnberg.) Der bayerische Städtetag fordert
Reform der Staats= und Kommunalsteuern, so daß die Realsteuern
den Gemeinden zufallen, ferner intensivere Besteuerung des Bau-