Das Denisqhe Reich und seine einzelnen GSlieder. (Oltober 25./26.) 159
38 bis 300 Mark direkte Steuern zahlen, der zweiten Klasse und die-
jenigen, die weniger als 38 Mark zahlen, der dritten Klasse angehören.
Ferner sollen 35 Abgeordnete von Berufsständen gewählt werden. Wie
diese zahlenmäßig auf die Hauptberufsstände, Handel und Industrie, Land-
wirtschaft und Arbeiterschaft zu verteilen sind, ist noch unbestimmt. — Die
Konferenz hält nur eine Sitzung ab; der Entwurf soll noch einmal über-
arbeitet werden.
25./26. Oktober. (Frankfurt a. M.) Kongreß der nicht-
sozialdemokratischen Arbeiter. — Koalitionsrecht, Arbeiterkammern,
Organisation.
Es sind vertreten: der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften
mit 46 Delegierten (93000 Mitglieder), sonstige Berufsvereine mit 38
Delegierten (158000 Mitglieder), evangelische Arbeitervereine (102500 Mit-
glieder) mit 37 Delegierten, evangelische Gesellenvereine (1500 Mitglieder)
mit 1 Delegierten und die katholischen Arbeitervereine mit 46 Delegierten
(201000 Mitglieder). In letzter Stunde haben sich noch die katholischen
Gesellenvereine (etwa 60000 Mitglieder) entschlossen, den Kongreß zu be-
schicken. Es sind demnach im ganzen rund 200 Delegierte, die 620000
Arbeiter und Gehilfen vertreten, anwesend. In der Gruppe „sonstige
Berufsvereine“ sind vereinigt die Eisenbahnerverbände, der Verband der
Bayerischen Staats-Hütten- und Salinenarbeiter, der Verband des Bayeri-
schen Post= und Telegraphenpersonals, der deutsch-nationale Handlungs-
ehilfenverband, verschiedene Kellnerbunde, der Gutenbergbund und der
Verbemd der Kutscher Rheinland-Westfalens. Die Gruppe der evangelischen
Arbeitervereine umfaßt 8 Verbände und 16 Einzelvereine. — Es sollen
als stimm= und redeberechtigte Delegierte an dem Kongreß nur Arbeiter
und aus dem Arbeiterstande hervorgegangene Beamte der Vereine und
Organisationen teilnehmen. Der Bericht des Organisationskomitees betont,
diese Forderung sei diktiert durch den Grundsatz: Die nichtsozialdemokra-
tische Arbeiterbewegung kann nur dann Erfolge haben, wenn die Arbeiter
auf sozialem Gebiet ihr Geschick selbst in die Hand nehmen.
An den Kaiser wird ein Huldigungstelegramm geschickt, worauf
folgende Antwort erfolgt: Ich spreche den zum ersten deutschen Arbeiter-
kongreß dort vereinigten Vertretern der deutschen Arbeiterschaft für den
Huldigungsgruß und die Versicherung ihrer monarchischen Treue und vater-
ländischen Gesinnung Meinen herzlichsten Dank aus. Ich werde die Be-
ratungen des Kongresses mit Meinem Interesse begleiten und auch in Zu-
kunft alle Anregungen und Maßnahmen, welche geeignet erscheinen, das
Mir und Meiner Regierung am Herzen liegende Wohl der deutschen Ar-
beiter zu fördern, gern Meinen Schutz und Beistand zuteil werden lassen.
. Wilhelm J. R.
In den Beratungen wird die ungleiche Handhabung des Koalitions-
rechts gerügt. Schiffer, ein Vertreter des christlichen Textilarbeiterver=
bandes: Wie scharf sind manche Arbeiter wegen einer leichtfertigen Aeuße-
rung gegen einen Arbeitswilligen bestraft worden, aber nur Arbeiter! Die
Arbeitgeber sind keinen Schwierigkeiten ausgesetzt. Würde die Koalitions-
freiheit nach der positiven Seite hin genügend ausgebaut und geschützt, so-
könnte man sich auch gewisse Strafbestimmungen gefallen lassen; ange-
sichts des immer krasser und planmäßiger auftretenden sozialdemokratischen
Terrorismus erscheint dies sogar als notwendig. Allerdings genügen keines-
wegs Strafbestimmungen wegen Mißbrauchs des Koalitionsrechts, auch
die Verhinderung seiner Ausübung muß unter Strafe gestellt werden.