180 Nas Denishhe Reith und seine einzelnen Slieder. (Dezember 10.)
wie sie sein soll, uns entwerfen. Sonst glaube ich, Sie können nichts!“
(Heiterkeit) Seitdem sind beinahe 20 Jahre verflossen. Die Sozialdemo-
kratie hat das sechste Dutzend Mandate bereits überschritten (Zuruf bei
den Sozialdemokraten: Wir haben sieben!), aber den vollen Operationsplan
der Verfassung, den Fürst Bismarck von Ihnen verlangte, haben Sie noch
immer nicht verraten. Wenn man früher sagen konnte, daß es dazu noch
zu früh sei, so könnte ich doch eine solche Entschuldigung heute nicht mehr
gelten lassen. Herr Bebel hat im Juni v. J. in Karlsruhe gesagt, daß der
Untergang der bürgerlichen Gesellschaft viel näher bevorstehe, als diese selbst
glaube. Das ist es doch natürlich, daß wir wissen möchten, was uns be-
vorsteht. (Heiterkeit.) Daß Herr Bebel einen genauen und detaillierten
Plan besitzt, muß ich nicht nur anstandshalber annehmen (Heiterkeit),
sondern das hat er selbst auch auf einem der letzten sozialdemokratischen
Parteitage, ich weiß nicht, war es in Lübeck oder Mainz, gesagt. Da er-
klärte er, in der Zeit der Aktion sei es zu spät für theoretische Diskus-
sionen, der Plan des Zukunftsstaates müßte schon vorher genau und in
allen Details ausgearbeitet sein. Sie besitzen also einen solchen ganz ge-
nauen Plan (Heiterkeit), den sollen Sie uns zeigen! Es geht Herrn Bebel
oder der Sozialdemokratie wie dem Verteidiger von Paris, General Trochu,
während der Belagerung durch die Deutschen. Der sprach immer von
einem geheimnisvollen Plan, durch den alles wunderschön werden sollte.
Wenn man den Plan sehen wollte, dann sagte er: Der Plan ist bei meinem
Notar mit meinem Testament deponiert, beide werden gleichzeitig geöffnet
werden. (Heiterkeit.) Den Plan des Abg. Bebel moöchte ich aber doch noch
bei seinen Lebzeiten sehen. Also sagen Sie uns doch statt fortgesetzter
Klagen und Beschwerden endlich, aber nicht in negativer Kritik, nicht in
verneinenden Redensarten, sondern in positiven Angaben, was Sie nun
an die Stelle des heutigen setzen wollen, wie es nun eigentlich praktisch
aussehen soll in dem Paradies, in das Sie uns führen wollen. (Heiter-
keit; Zurufe bei den Sozialdemokraten: Sie mit!) Ich danke Ihnen, daß
Sie mich dahin mitnehmen wollen. Daß für die Sozialdemokraten doch
die Verpflichtung vorliegt, endlich einmal mit der Sprache herauszurücken,
hat auch ein Ihnen nahestehender, ein Ihnen befreundeter Politiker her-
vorgehoben, der — leider nicht mehr Abgeordnete Barth (Heiterkeit) — der
in einem Artikel der „Nation“ vor einigen Wochen schrieb, für die Sozial-
demokratie sei jetzt endlich der Augenblick gekommen, nicht mehr wie bisher
eine politisch unfruchtbare Demonstration zu machen, sondern zu zeigen,
was sie Positives leisten, vorbringen könnte. Meine Herren, ich habe mich
nicht erst seit heute und gestern, nein seit Jahren bemüht, aus Ihren
Reden, denen ich mit voller Aufmerksamkeit zugehört habe, aus Ihren
Schriften mich zu informieren, wie nun eigentlich Ihr Zukunftsstaat prak-
tisch eingerichtet werden soll. (Ruf bei den Sozialdemokraten: Eugen
Richter!) Die Ausbeute war unendlich gering. Das Gescheiteste, was ich
noch darüber in vielen Jahren gelesen habe, war ein Aufsatz, der vor drei
Jahren in einer Zeitschrift erschien, deren Mitarbeiter zum Teil persfön-
liche Bekannte von mir waren, und der mir übersandt wurde, in der
Zeitschrift „Kosmopolis“ und dann die Broschüre „Die soziale Revolution“
von Karl Kautsky, die ich als grünen Bädeker für die Reise nach Utopien
stets in meinen Reichstagsakten mit mir trage. In dem Aufsatz des Ab-
geordneten Liebknecht hieß es über den Zukunftsstaat: „Verschwinden werden
die Kasernen, denn wir haben keine Soldaten mehr, und verschwinden
werden die Zuchthäuser, denn die Gesellschaft wird sich ohne Verbrechen
behelfen. (Heiterkeit.) Verschwinden werden die Justizpaläste, verschwinden
werden rein aus Schönheitsrücksichten die entsetzlichen Bauungeheuer, durch