12 JNas Beuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 19./20.)
nicht von heute auf morgen gelöst werden könne; Jahre, vielleicht Jahr-
zehnte würden dazu erforderlich sein. Die Regierung kenne aber bei dieser
Aufgabe kein Rückwärts, sondern nur ein Vorwärts auf den für richtig
erkannten Wegen: ohne kleinliche Gehässigkeit, aber auch ohne Schwäche
und ohne Schwanken, damit die Provinzen Posen und Westpreußen immer
inniger verwüchsen mit der ganzen Monarchie, damit sie immer gut
preußisch und gut deutsch blieben.
Abg. Graf Limburg-Stirum (kons.) empfiehlt äußerste Sparsam-
keit und begrüßt den Plan eines Ausgleichsfonds. Die Polenpolitik müsse
auf dem bisherigen Wege fortgesetzt werden. Die Regierung hätte die
Handelsverträge am 31. Dezember kündigen sollen.
Ministerpräsident Graf Bülow: Ich freue mich, daß der Vorredner
sich für den von uns vorgeschlagenen Bau eines königlichen Residenz-
schlosses in Posen ausgesprochen hat. Abg. Fritzen hat vorher eine Parallele
gezogen zwischen Straßburg und Posen. Ich gebe dem Abg. Fritzen voll-
kommen zu, daß zwischen den Verhältnissen in der Westmark und der Ost-
mark eine gewisse, sogar große Aehnlichkeit besteht, denn hier wie dort
haben wir die Pflicht, das Deutschtum mit allen gesetzlichen Mitteln zu
fördern. Ich muß ihm aber darin widersprechen, wenn er sagte, daß das
Residenzschloß in Straßburg nicht dazu beigetragen hat, und kein Vorteil
gewesen wäre. Ich weiß aus eigener Anschauung und von vielen Kennern
der elsaß-lothringischen Verhältnisse, daß gerade das Residenzschloß in
Straßburg und die dadurch bewirkte häufigere, regelmäßigere Anwesenheit
des Kaisers in den Reichslanden, das persönliche Band, das zwischen Kaiser
und Elsaß-Lothringen hergestellt ist, wesentlich beigetragen hat zur Ver-
schmelzung, zur wirklich fortschreitenden Verschmelzung zwischen den Reichs-
landen und dem Deutschen Reiche. Deshalb hoffe ich, daß die Mehrheit
dieses hohen Hauses uns auch die Mittel nicht versagen wird für den Bau
einer Residenz in Posen, die nicht nur ein äußeres Wahrzeichen des Deutsch-
tums in jener Provinz und seiner Zugehörigkeit zur preußischen Monarchie
sein soll, sondern auch dem Kaiser und König die Gelegenheit geben soll,
regelmäßig gerade in der Provinz Posen zu residieren und gerade dieser
Provinz Zeichen seiner persönlichen Fürsorge zu geben. — Und nun zu
einem anderen vom Abg. Grafen Limburg-Stirum erwähnten Punkt. In
diesem hohen Hause sind die Gründe bekannt, aus denen die königliche
Staatsregierung es ablehnen muß, auf Materien hier einzugehen, die nach
der Ansicht der königlichen Staatsregierung nicht vor das Forum dieses
hohen Hauses gehören. Die königliche Staatsregierung muß deshalb ihrer-
seits darauf verzichten, die Grenze der Zugehörigkeit dieses hohen Hauses
zu überschreiten. Aber eines muß ich den Ausführungen des Abg. Grafen
Limburg-Stirum gegenüber betonen: Bei der Aufstellung des Tarifs be-
stand die Absicht, den Klagen der Landwirtschaft soweit wie möglich ent-
gegen zu kommen, und die königliche Staatsregierung ist nach wie vor
davon überzeugt, daß der Zolltarif erhebliche Vorteile für die Landwirt-
schaft enthält, und sie wird bei den bevorstehenden Handelsvertragsverhand-
lungen nicht bloß mit Worten, sondern auch mit der Tat bestrebt sein,
die Interessen der Landwirtschaft gewissenhaft wahrzunehmen. — Abg.
Nölle (ul.) verlangt Auskunft über die Kanalvorlage. Abg. Dr. Wiemer
(fr. Vp.) verlangt Reform des Güter= und Personentarifs und kritisiert die
Ostmarkenpolitik; der Hakatistenverein müsse seine Tätigkeit einstellen. Abg.
Frhr. v. Zedlitz (fr.kons.): Bei der schlechten Finanzlage sei eine Verstän-
digung zwischen Regierung und Abgeordnetenhaus über die Kanalvorlage
unmöglich, deshalb dürfe sie vorläufig noch nicht eingebracht werden.
Am folgenden Tage polemisiert Abg. v. Jazdzewski (Pole) gegen