Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

194 Vie Sterreichisch-ungerische Menarcie. (Februar 17./19.) 
trage von etwa fünf Milliarden, der ungarische Block bleibt ausgeschlossen, 
nicht prinzipiell, aber faktisch. Auf Grund dieses Standes der Dinge 
brachte die österreichische Regierung ihre Rentenkonversionsvorlage ein. 
Sie enthielt die Bestimmung, daß die Regierung ermächtigt werden solle, 
„Rente im Maximalbetrage von 3620 Millionen“, also mit Ausschluß des 
auf Ungarn (entsprechend dem von ihm gezahlten Zinsenbeitrage) entfal- 
lenden Blockes von 1400 Millionen, „der einheitlichen Staatsschuld zu 
konvertieren“, und zwar zum Zinsfuß von „höchstens“ 4 Prozent (statt 
der bisherigen 4,2). Im Budgetausschuß wurde dieser Antrag der Re- 
ierung angenommen. Der Finanzminister hatte erklärt, daß Oesterreich 
sch durchaus nicht seines Rechtes, die ganze Staatsschuldrente zu konvertieren, 
begebe, sondern nur faktisch bloß den auf uns entfallenden Teil der Rente 
konvertiere; er erklärte ferner, daß die Regierung diesen Teil der Rente 
auf den Zinsfuß von 4 Prozent konvertieren wolle, gleichzeitig aber neue 
Rententitres ausgeben wolle zu 3¾ Prozent, um das Geld zur Rückzahlung 
der zurückströmenden Papiere zu gewinnen. Nun aber geschah das Un- 
erwartete. Das österreichische Abgeordnetenhaus strich die bedeutungsvollen 
Worte: „im Maximalbetrage von 3620 Millionen“ und das Wörtchen 
„hHöchstens"“. Durch Streichung der Worte „im Maximalbetrag von 3620 
Millionen“ hat es die Regierung ermächtigt, eventuell auch die ganze ge- 
meinsame Rente zu konvertieren. Ungarn sollte keinerlei Anlaß haben, 
aus der Nichtkonvertierung der 1400 Millionen den Beweis zu schöpfen, 
daß Oesterreich selbst sein Recht, auch diese zu konvertieren, aufgegeben 
habe. Anderseits aber ist der Finanzminister nach wie vor in der Lage, 
nur 3620 Millionen zu konvertieren, da er nun das Recht hat, einfachhin 
Obligationen der Staatsrente in anders verzinsliche umzuwandeln. 
17./19. Februar. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. An- 
nahme der Wehrvorlage. 
Die deutsche Fortschrittspartei, die deutsche Volkspartei und der ver- 
fassungstreue Großgrundbesitz erklären sich für die Vorlage im Interesse 
der Erhaltung der Schlagfertigkeit des Heeres und der Wehr= und Bündnis- 
fähigkeit Oesterreichs. Wir alle wissen, sagt Abg. Ludwigstorff, daß 
der Hort des Friedens in Europa der Dreibund ist, dessen Grundlage das 
deutsch-österreichische Bündnis ist, das uns am Herzen liegt. Dieses Bündnis 
verpflichtet uns, einen entsprechenden Teil der Lasten auf uns zu nehmen, 
denn es muß ein starkes Oesterreich an der Seite des starken Deutschland 
stehen. Wenn wir die Erhaltung des Friedens wollen, müssen wir die 
Mittel dazu bewilligen. Abg. Herold: Die Jungtschechen lehnen die 
Vorlagen ab, um ihr Mißtrauen gegen das ganze Regierungssystem aus- 
zudrücken. 
18. Februar. Abg. Pasfor: Die Polen, welche ein starkes und 
großes Oesterreich aus nationalen Gründen wünschen, stimmten für die 
Vorlage im Interesse der Erhaltung der Großmachtstellung des Reiches. 
Sie würden zwar eine Abrüstung sicherlich begrüßen, doch könne Oesterreich 
nicht damit vorgehen, weil es sich sonst auf Gnade und Ungnade den 
starken Staaten ausliefern würde. Abg. Dr. Lueger: Die Christlich- 
Sozialen würden Mann für Mann für die Vorlage stimmen, da die 
Regierung drei von ihnen aufgestellte Hauptpostulate betreffend die Be- 
günstigung von Familienernährern, betreffend das Lieferungswesen, sowie 
die Abschaffung resp. Einschränkung der letzten Waffenübung befriedigend 
beantwortet habe. Er beantragt sodann unter Hinweis auf die Sonder- 
bestrebungen Ungarns bezüglich des Heerwesens eine Resolution, in welcher 
die Regierung aufgefordert wird, an der Gemeinsamkeit der Armee ent-
	        
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