Bie ästerreichisch-ungerische Menarchie. (April 3.—27.) 199
Staatsbahndirektion 6 468 Tschechen, 1575 Deutsche und 372 Ungewisse.
Bei den Bergbehörden 22 Tschechen, 5 Deutsche und 3 Ungewisse. Bei
den Landesbeamten gibt es 1066 Tschechen und 13 Deutsche.
3. April. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Schönerer
über Bülows Rede zum Schutz der Deutschen in Ungarn (S. 67)
und das deutsch-österreichische Bündnis.
Abg. v. Schönerer (alld.): Solche Worte, wie sie Graf Bülow
gesprochen, müssen bei den Deutschen Oesterreichs, den alleinigen Stützen
des Bundesverhältnisses mit Deutschland, Zweifel wecken, ob dieses Bundes-
verhältnis den Interessen der Deutschen Oesterreichs noch entspricht. Wenn
uns gesagt wird, daß wir niemals auf eine Unterstützung vom Deutschen
Reiche rechnen können, daß dieses Bundesverhältnis nur zur Rückendeckung
jener dient, die das Deutschtum in Oesterreich schädigen, so drängt sich die
Frage auf, welchen Zweck es hat, sich für ein Bündnis einzusetzen, das
deutschfeindliche Bestrebungen in der Monarchie fordert. Die Regierung
solle den Minister des Aeußern darauf aufmerksam machen, daß die Deutschen
in Oesterreich ihre Zuneigung und ihre Stütze dem Bündnis mit Deutsch-
land mehr und mehr entziehen müßten, falls von der deutschen Reichs-
regierung keinerlei Verständnis und Teilnahme für die nationalen Inte-
ressen Deutscher in Oestereich-Ungarn entgegengebracht wird.
April. (Mähren.) Demonstrationen gegen den Erzbischof
Kohn.
Ein tschechisches Blatt „Pozor“ veröffentlicht seit Monaten Angriffe
gegen den Erzbischof von Olmütz, Dr. Kohn, weil er tschechenfeindlich
und moralisch minderwertig sei. Der Erzbischof hält einen P. Ocasek
für den Urheber, er wird aber von dem geistlichen Gericht freigesprochen.
Trotzdem läßt ihn der Erzbischof in dem Priesterseminar zu Kremsier
internieren. Wegen dieses Rechtsbruchs kommt es zu Tumulten und
Angriffen auf das Seminar. Durch Indiskretion wird der wirkliche
Urheber der Angriffe, P. Hofer, verraten, der sich aber dem Gericht des
Erzbischofs entzieht. Ocasek wird freigelassen (21. April).
26. April. (Prag.) Die Versammlung der tschechischen Ver-
trauensmänner beschließt einstimmig, daß die Regierung kein Ver-
trauen verdiene, weil sie sich den hegemonistischen Ansprüchen der
Deutschen füge, und daß die Tschechen in entschiedener Opposition
verharren und eventuell vor der Obstruktion nicht zurückschrecken
sollen.
27. April. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Szell über die
Obstruktion gegen die Heervorlage und den Verfassungskonflikt.
Abg. Kossuth hat das Angebot gemacht, dem Budgetprovisorium
gegenüber nicht zu obstruieren, falls die Regierung in den nächsten vier
Monaten die Verhandlung über die Wehrvorlage nicht fortsetze. Minister-
präsident v. Szell lehnt den Vorschlag ab, weil es ein verstecktes Fallen-
lassen der Wehrvorlage bedeute. Die Vorlage sei notwendig, weil die
Entwicklung der Wehrkraft Oesterreichs-Ungarns anderen Staaten gegenüber
zurückgeblieben sei. Ueber die Obstruktion sagt er: Die Lage des Landes
und die öffentliche Meinung fordert, daß ich die Bastei der Verfassung
verteidige und meinen Platz behaupte. Dies ist meine Pflicht und ich werde