Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

200 Bie ästerreichiscz-ungarische Monarchie. iMai 1. - 12.) 
sie erfüllen. Ich war vor die Alternative gestellt, entweder eine die 
Obstruktion unmöglich machende Verschärfung der Hausordnung herbei- 
zuführen, oder die öffentliche Gewalt so unparteiisch und maßvoll zu 
handhaben, daß jede Obstruktion als schnöde Ungerechtigkeit erscheint. Ich 
wählte letzteres. Redner dankt den Führen der Oppositionellen, die an- 
erkannt haben, daß seit 1867 die Verwaltung niemals unparteiischer und 
die Wahlen niemals unbeeinflußter gewesen seien. Dennoch wollen diese 
Führer den Willen der Majorität nicht respektieren, trotzdem dieser Wille 
frei und ohne Einmischung der Verwaltungsorgane zum Ausdruck gelangt 
ist. Alles lasse sich gut machen. Man könne Irrtümer verbessern und 
schlechte Gesetze ändern oder aufheben. Die Verletzung der Verfassung und 
die Mißachtung des Gesetzes sei aber nie zu reparieren. (Stürmischer 
Beifall rechts.) Die Vorbereitungen für die Einführungen der zwei- 
jährigen Dienstzeit würden getroffen. Als Vertreter des parlamentarischen 
Prinzips könne er an diesem Tage nicht vom Platze weichen. Falls er 
gezwungen sein sollte, die Regierung ohne Budget weiterzuführen, so werde 
er dies in dem Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit tun, weil die 
Pflicht gegen den König und das Vaterland ihm dies gebieten. Kein 
ungarischer Staatsmann hätte unter den gleichen Verhältnissen einen anderen 
Entschluß fassen können. 
1. Mai. (Ungarn.) Da das Abgeordnetenhaus infolge der 
Obstruktion das Budgetprovisorium nicht erledigt hat, tritt der 
budgetlose (ex lex) Zustand ein. — Ministerpräsident v. Szell, der 
erklärt, die Regierung trotzdem weiterführen zu wollen, wird von 
der Opposition stürmisch angegriffen, die liberale Partei stimmt 
ihm zu. 
10. Mai. (Tirol.) Ein Erlaß des Unterrichtsministers 
stellt fest, 1. daß die Innsbrucker Universität als deutsche erhalten 
bleiben soll, 2. daß beabsichtigt wird, in kürzester Zeit die Ver- 
legung der italienischen Kurse in eine Stadt außerhalb Tirols zu 
veranlassen. 
April. Mai. Juni. (Ungarn.) In Kroatien finden stür- 
mische Kundgebungen gegen die Magyaren statt. Militär muß 
mehrfach einschreiten; in einigen Bezirken wird das Standrecht 
verkündet. 
12. Mai. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Debatte über die 
kroatischen Unruhen. 
Abg. Barabas (Kossuthpartei) schildert grell die Ausschreitungen 
in Kroatien, die gegen den ungarischen Staat gerichtet seien und alle 
Magyaren bedrohten. Ministerpräsident v. Szell: Es sei durchaus un- 
wahr, daß das Leben und die Sicherheit der Ungarn in Kroation bedroht 
sei. Banus Graf Khuen-Hedervary habe umfassende Maßregeln gegen die 
friedenstörenden Elemente getroffen, und wo ungarische Fahnen und Em- 
bleme verunglimpft worden wären, sei eine strenge Bestrafung eingetreten. 
(Beifall rechts und links.) Er weise die Behauptung zurück, als ob alle 
Kroaten von Haß gegen die Ungarn erfüllt seien, und protestiere energisch 
gegen die aufgetauchte Unterstellung, als ob von Wien aus die Umtriebe
	        
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