Die Herreichisch-ungerische Menarchie. (Juli 30.—August 10.) 207
Antrages. Der Antrag ist somit eingereicht. Die Tribüne um den Prä-
sidententisch füllt sich mit Abgeordneten beider Parteien, die in leidenschaft-
lichen Wortwechsel geraten. Die Sitzung wird fortgesetzt bis nach Mitter-
nacht und nach stürmischen Debatten der Antrag Khuens angenommen,
nachdem die Opposition den Saal verlassen hat.
30. Juli. (Ungarn.) Der Gouverneur von Fiume, Graf
L. Szapary, erklärt, der Urheber des Bestechungsversuchs zu sein.
Er habe, von politischen Abenteurern irre geführt, den Versuch auf
eigene Faust, ohne Wissen des Ministerpräsidenten unternommen.
31. Juli. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Kossuth und Khuen
über die Bestechungsfrage.
Abg. Kossuth bespricht die Mitteilung Paps und erklärt, es liege
ihm fern, einen Verdacht auszusprechen. Nachdem jedoch der Gouverneur
in Fiume, ein der Regierung nahestehender Mann, die Urheberschaft der
Bestechung eingestanden hat, ruhe der Verdacht auch auf dem Minister-
präsidenten, und wenn es in dieser Richtung nicht gelänge, die öffentliche
Meinung vollständig zu beruhigen, erscheine der Ministerpräsident als un-
geeignet, um auf seinem Posten bleiben zu können. (Stürmischer Beifall
links.) Präsident Graf Apponyi beantragt hierauf, einen Untersuchungs-
ausschuß zur Aufklärung der Bestechungsangelegenheit zu wählen und das
Haus zu vertagen, bis der Ausschuß seinen Bericht erstatten werde. Dieser
Antrag wurde angenommen mit der Einschränkung, daß die Vertagung
nicht über den 10. August dauern soll. Ministerpräsident Graf Khuen-
Hedervary erklärt mit Bezug auf die Aeußerung Franz Kossuths, er
werde vor dem Untersuchungsausschuß erscheinen. (Allgemeine Zustimmung.)
Kossuth erklärte, mich wegen der Bestechungsangelegenheit nicht verdächtigen
zu wollen. Er fordert mich aber auf, meinen Platz zu verlassen. (Beifall
links.) Meiner Ansicht nach würde ich mich nicht nur gegen mich, sondern
auch gegen das Land versündigen, wenn ich dieser Afforderung Folge
leisten würde. (Lebhafter Beifall rechts, Bewegung links.)
3. August. (Pest.) Ministerpräsident Graf Khuen-Hedervary
erklärt vor der parlamentarischen Untersuchungskommission, er habe
von den Bestechungsversuchen Szaparys keine Kenntnis gehabt und
nie Beziehungen zu Dienes und den übrigen in diese Angelegenheit
verwickelten Personen gehabt.
8. August. (Wien.) Der katholische Historiker Onno Klopp
(geb. 9. Oktober 1822 in Leer in Ostfriesland) f. Er schrieb u. a.:
Der Fall des Hauses Stuart; Friedrich II. und die deutsche Nation;
Tilly im 30jährigen Kriege.
10. August. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Khuen kündigt
seinen Rücktritt an.
Ministerpräsident Graf Khuen erllärt, die Regierung habe sich zur
Aufgabe gestellt gehabt, die Beendigung des ex lex-Zustandes herbeizu-
führen, um die normale Geschäftsführung im Parlament wieder zu ermög-
lichen. Zu diesem Behufe sei die Erhöhung des Rekrutenkontingents zurück-
gezogen worden. Die Aussicht, daß die Regierung diese Mission würde
erfüllen können, sei anfangs verheißungsvoll gewesen, doch die Möglichkeit