Die ästerreithisqh·nugarische Menarthhie. (August 18. —24.) 209
lung eines Kardinals von friedlichem und versöhnlichem Sinne herbeizu-
führen, und es darf ihr zur Genugtuung gereichen, daß aus der Urne ein
Mann hervorgegangen ist, der überall beifällig begrüßt wurde. In Pius X.
hat ein Mann den päpstlichen Stuhl bestiegen, dessen maßvolles und festes
Wesen die Hoffnung eröffnet, daß nicht Reibungen auftreten und daß sich
nicht politische Gesichtspunkte in den Vordergrund drängen, welche die Er-
füllung der erhabenen Mission der Kirche beeinträchtigen. In dem Inter-
esse Oesterreich-Ungarns lag es, daß einer Wahl vorgebeugt wurde, die,
wie manche Erfahrungen der letzten Zeit schließen ließen, Differenzen hätten
mit sich bringen können, die gerade ein Verhältnis, wie es zwischen Kirche
und Staat ist, nicht trüben sollen. Man braucht denn auch wohl kaum
besonders hervorzuheben, daß das öterreichisch ungarische Kabinett nicht durch
eine Anregung seitens irgend einer anderen Macht zu dem Schritte be-
wogen wurde, den es unternommen hat.“
18. August. (Ungarn.) In Zapresitsch demonstrieren Kro-
aten gegen ungarische Fahnen; beim Einschreiten der Gendarmerie
werden mehrere Kroaten getötet und schwer verletzt. Auch in
Agram kommen Unruhen vor.
20.—25. August. (Pest.) Verhandlungen des Kaisers mit
den Parteiführern.
Der Kaiser empfängt außer den Ministern den Präsidenten des
Magnatenhauses Grafen Albin Csaky, den Präsidenten des Abgeordneten-
hauses Grafen Albert Apponyi, die gewesenen Ministerpräsidenten Graf
Julius Szapary, Alexander Wekerle, Desider Banffy, Koloman Szell, ferner
den Grafen Julius Andrassy, Grafen Stephan Tisza und Grafen Alexander
Karolyi, den ehemaligen Minister des Innern Karl Hieronymi, den Ab-
geordneten Emerich Hodossy und den Präsidenten der Volkspartei Grafen
Johann Zichy. — Alle empfehlen dem Kaiser, einige Konzessionen in der
Armeefrage zu machen, am weitesten geht Apponyi, der die ungarische
Dienst- und Kommandosprache erstrebt. Das „Fremdenblatt" schreibt über
die Verhandlungen: „In politischen Kreisen verlautet, daß die Krone die
meisten der nationalen Forderungen für gefahrbringend für die Armee
ansehe, jedoch an jenen Konzessionen, die von der früheren Regierung zu-
gestanden wurden und die Einheit der Armee nicht tangieren, festhält.
Es heißt ferner, daß es fast ausgeschlossen sei, daß die in Frage kommende
Dienst= und Kommandosprache zum Gegenstand einer eingehenden Diskussion
gemacht werden könne. Wohl aber sollen die Politiker, die vor Sr. Majestät
erschienen sind, den Eindruck gewonnen haben, daß man maßgebendenorts
die nationalen Forderungen nicht a limine abweist, sondern daß es wahr-
scheinlich ist, daß Bestimmungen, durch welche für eine dem ungarischen
Geiste entsprechende Erziehung der militärischen Jugend vorgesorgt werden
soll, Aussicht auf Verwirklichung haben. Es wird darauf hingewiesen,
daß fast alle Politiker, welche vor dem Kaiser erschienen, sich für die Ge-
währung gewisser nationaler Forderungen eingesetzt haben — der eine in
größerem, der andere in kleinerem Maßstabe. Fast alle Politiker hätten
betont, daß die einzige Lösung der Krisis die Gewährung der nationalen
Konzessionen sei.“
Die Lösung der Krisis wird verschoben.
24. August. (Pest.) Beim Brande eines großen Waren-
hauses kommen gegen 60 Personen um.
Europäischer Geschichtskalender. XEIV. 14