216 Die üserreithis ·nugarise Menarhie. (September 24.)
Kabinettsbildung betraut. Indem ich mich dieser Verfügung Sr. Majestät
unterwarf, faßte ich dies so auf, daß ich die Betrauung übernehme, damit
zum Zwecke einer Berührung von König und Nation ein verfassungs-
mäßiges Organ und eine verantwortliche Person vorhanden sei, welche den
König deckt und welche berufen sein soll, die Worte des Königs zu ver-
dolmetschen und ihre verfassungsmäßige Beurteilung zu ermöglichen. (Leb-
hafte Zustimmung.) Diese Uebernahme bedeutet also nicht, daß ich die
Absicht habe, eine definitive Regierung zu bilden. Ich wollte nichts
anderes, als in diesem hochwichtigen Augenblicke der Vermittler jenes
Vertrauens sein, welches zwischen dem König und der Nation unbedingt
notwendig ist. (Lebhafter Beifall.) Ich bitte Sie, meine Mission in diesem
Sinne aufzufassen und glaube, daß die Kundgebung des Königs so hoch-
wichtig ist, daß sie — ich bin davon tief überzeugt — in ganz Europa
gerechte Aufmerksamkeit erregen wird. Diese Kundgebung Sr. Majestät
hat den Zweck, daß jenes Verhältnis zwischen dem König und der Nation,
welches auf Vertrauen beruht, auch künftig unverletzt und unverkürzt er-
halten bleibe und keinem wie immer gearteten Mißverständnis ausgesetzt
sei. Ich glaube, daß mit dem königlichen Handschreiben dieser Zweck auch
erreicht werden wird. Dies wünsche ich, dies wünschen wir alle; und ich
appelliere an Ihren Patriotismus. Meine Herren! Ich glaube, daß in
diesem Augenblicke — da, wie ich vorhin schon angedeutet habe, nach er-
folgter Bildung der Regierung ohnehin Gelegenheit gegeben sein wird,
Ihren Standpunkt und Ihr Programm ausführlich zu entwickeln — die
Lnehin einer anderen Beschlußfassung vielleicht nicht vorliegt und
überflüssig ist.“
D#. liberale Partei beschließt, die Aufklärung über den Chlopyer
Armeebefehl beruhigt zur Kenntnis zu nehmen und von jeder weiteren Be-
ratung darüber abzusehen. Ueber den politischen Inhalt des königlichen
Handschreibens soll nach der Kabinettsbildung beraten werden.
24./29. September. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Stürmische
Angriffe auf Khuen und den König.
Auf der Tagesordnung steht die Beratung über den Armeebefehl
und die Ernennung Khuens zum Ministerpräsidenten. Die Münchener
„Allgemeine Zeitung“ berichtet über die Sitzung: Als Graf Khuen-Heder-
vary den Sitzungssaal betritt, erhebt sich in den Reihen der Unabhängig-
keitspartei der Ruf: „Es lebe die Verfassung!“ Der Abg. Olay (äußerste
Linke) meldet sofort die Inkompatibilität des Ministerpräsidenten an. Er
begründet die Imkompatibilität damit, daß Graf Khuen-Hedervary an dem
Bestechungsversuch des Grafen Szapary mitschuldig sei. Während der
Begründung des Antrags ertönen aus den Reihen des äußersten linken
Flügels die Rufe: „Schmach! Schande! Man muß ihn (Khuen-Hedervary)
hinauswerfen!“ Hierauf ergreift Kossuth (Unabhängigkeitspartei) das
Wort und führt aus: Es sei die Pflicht und die Aufgabe des Hauses, zu
verhindern, daß die verfassungsmäßigen Rechte der Nation verkümmert
und die Grenze der Kronrechte weiter gezogen werde; könne er es aber
nicht verhindern, so müsse der Reichstag dagegen wenigstens protestieren.
Durch das königliche Handschreiben sei die durch den Armeebefehl geschlagene
Scharte nicht ausgewetzt worden; das Handschreiben habe im Gegenteil die
Wunde vertieft, die der Nation zugefügt worden. (Beifall auf der äußersten
Linken.) Der König sei von ungetreuen Ratgebern umgeben, die vergessen
hätten, daß man mit Pronunciamientos an die Armee nicht konstitutionell
regieren könne. Der König sei oberster Kriegsherr nur auf Grund des
Gesetzes; er habe die Verfassung beschworen. (Abg. Barabas ruft: „Fal-