Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

226 Jie äserreichischungarische Monarchie. (November 17.—20.) 
17. November. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Körber 
über die Militärfrage, Verhältnis zu Ungarn, Handelsverträge. 
Ministerpräsident v. Körber führt aus, seine letzten Aeußerungen 
über die Armeefrage (S. 218) seien in Ungarn vielfach abfällig kritisiert 
worden. Er könne aber nichts davon zurücknehmen, da er sich streng an 
die Ausgleichsgesetze gehalten habe. Der Ursprung der Armee sei teils 
österreichisch, teils ungarisch, ihre Bestimmung aber diene der ganzen 
Monarchie. Deshalb wurde auch die einheitliche Leitung und Führung, 
sowie die innere Organisation ausschließlich in die Hände des gemeinsamen 
Herrschers gelegt. Das österreichisch-ungarische Gesetz von 1867 stelle ein 
zwischen Oesterreich und Ungarn weise verabredetes Gleichgewicht in Bezug 
auf die Armee dar, das im Interesse der Monarchie vor jeder Veränderung 
zu behüten sei. Die österreichische Regierung habe die jüngsten Erklärungen 
der ungarischen Regierung geprüft und nichts daran wahrgenommen, was 
den Ausgleichsgesetzen zuwider sein könnte und die Einheitlichkeit der ge- 
samten Armee und der Monarchie zu alterieren vermöge. Wenn Ungarn 
mit diesen Erklärungen auch die Schwierigkeit der Votierung des gemein- 
samen Budgets und die Erneuerung der Handelsverträge wegzuräumen 
gedenke, so bringe Oesterreich diesen Bemühungen seine wärmsten Sym- 
pathien entgegen. Im Interesse der Dynastie sei es gelegen, jetzt und in 
Zukunft das einträchtige Zusammenleben der beiden Reichshälften zu för- 
dern. — Was die wirtschaftliche Lage betreffe, so sei der Weg zur Besse- 
rung der wirtschaftlichen Interessen durch die Erneuerung des Ausgleiches 
mit Ungarn vorgezeichnet. Ein Zoll- und Handelsbündnis mit Ungarn 
sei der beste Handelsvertrag, den Oesterreich erzielen könne und sei auch 
der beste Handelsvertrag für Ungarn. Beide Reichshälften litten unter 
den Kämpfen der letzten Jahre, in beiden werde der Gedanke zum Durch- 
bruch kommen, daß Friede und Freundschaft mehr nützen, als die unaus- 
gesetzte Aufwühlung der Gemüter. — Von den Handelsverträgen sei der 
mit Italien der dringendste, auch mit Deutschland und Rußland werde 
man bald in Verhandlungen eintreten. 
18. November. (Ungarn.) Abgeordnetenhaus. Minister- 
präsident Graf Tisza wendet sich gegen die Rede Körbers vom 17.: 
Die Bemerkungen des Dr. v. Körber über das ungarische Staats- 
recht seien dilettantische Aeußerungen eines distinguished foreigner, über 
die er sich meritorisch nicht weiter äußern wolle und nicht weiter zu äußern 
brauche. Es mache ja nichts aus, wenn das österreichische Staatsrecht über 
die Hoheitsrechte der Krone andere Bestimmungen enthalte als das unga- 
rische; derartige Abweichungen seien für Ungarn gewiß kein Unglück. Seine 
(Tiszas) Auslassungen über die Hoheitsrechte hätten die Zustimmung des 
allein maßgebenden Faktors gefunden. Auf dieser Grundlage habe er die 
Bildung des Kabinetts übernommen und bei dieser klaren Sachlage könne 
man die Kommentare von einer nicht kompetenten Stelle, die nicht mit- 
zusprechen habe, mit der größten Kaltblütigkeit hinnehmen. Sicherlich aber 
würden alle Faktoren der ungarischen Politik sich energisch jedem etwaigen 
Versuche widersetzen, nicht bloß theoretische Aeußerungen zu machen, in 
welchen er niemand beirren wolle, sondern in ähnlicher Richtung auch in 
die Praxis einzugreifen. — Sämtliche Parteien, auch die radikale Oppo- 
sition, stimmen Tisza stürmisch zu. 
20. November. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. De- 
batte über Tiszas Rede vom 18. Erklärung Körbers.
	        
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