Großbritannien. (Juli 21.—23.) 261
leisten, der durch die Besteuerung von Nahrungsmitteln und Rohmaterialien
und die sich daraus ergebende Erhöhung der Produktions= und Lebens-
mittelkosten bewirken müßte, daß die Baumwollen-Industrie in dem bereits
schweren Kampfe lahm gelegt wird, den sie zur Aufrechterhaltung ihrer
Stellung auf fremden Märkten, durch welche 80 v. H. ihrer Erzeugnisse
verbraucht werden, zu bestehen hat.“
21. Juli. Das Unterhaus genehmigt die dritte Lesung der
irischen Landbill mit 3817 gegen 20 Stimmen.
21. Juli. (London.) Eine Versammlung von Parlaments-
mitgliedern aller Parteien beschließt die Gründung einer Tarif-
reformliga, deren Hauptziel sein soll, eine Prüfung des Zolltarifs
zum Schutze der Industrien des vereinigten Königreichs herbei-
zuführen, und die Hilfsquellen des Landes zu sichern und weiter
zu entwickeln.
22. Juli. Das Unterhaus genehmigt das Londoner Unter-
richtsgesetz.
23. Juli. (Unterhaus.) Debatte über die deutsch-kanadische
Zollfrage.
Unterstaatssekretär Cranborne führt nach einer Besprechung der
venezolanischen Aktion aus, England wünsche mit allen fremden Völkern
in gutem Einvernehmen zu bleiben, stelle aber seine Kolonien vor jede
fremde Nation. Sobald Deutschland und andere Länder zugäben, daß
Englands zollpolitische Beziehungen zu seinen Kolonien innere Angelegen-
heiten seien, an denen sie keinen Anteil hätten, werde Englands Haltung
bei den Handelsvertragsverhandlungen mit Deutschland so entgegenkommend
sein, wie der größte Freund Deutschlands nur wünschen könne. — Abg.
Grey fragt, warum die Regierung nach vierjährigem Schweigen in der
kanadischen Angelegenheit erst jetzt vorgehe. Kolonialminister Chamber-
lain: Die neuen Umstände lägen in der Drohung der deutschen Regierung,
welche in einer Depesche des Staatssekretärs Frhrn. v. Richthofen enthalten
sei. Nach dieser Depesche gewann die Frage eine unendlich größere Be-
deutung, weil die englische Regierung von der deutschen Regierung benach-
richtigt worden ist, daß Deutschland nicht allein die Politik der Wieder-
vergeltung gegen Kanada noch strenger gestalten wolle, sondern daß Deutsch-
land das tun wolle zu dem besonderen Zwecke, jede andere Kolonie zu
verhindern, Kanadas Beispiel zu folgen. Da auf der Kolonialkonferenz
deutlich hervortrat, daß alle Kolonien gewillt seien, England zukünftig eine
Vorzugsbehandlung zu gewähren, so war es eine offene, gegen die eng-
lische Regierung gerichtete Drohung, daß, wenn sie nicht die Kolonien ver-
hindere, dem Mutterlande eine Vorzugsbehandlung zu gewähren, dieses
dafür leiden müßte. Er habe darüber keinen Unwillen oder Ueberraschung
ausgedrückt wie behauptet worden, vielmehr erklärt, es sei seiner Ansicht
nach durchaus wahrscheinlich, daß, so lange Deutschland glaube, Englands
Politik sei nur die des passiven oder überhaupt keines Widerstandes, die
deutschen Staatsmänner die Politik fortsetzen werden, die nach ihrer An-
sicht im Interesse des deutschen Handels liegt. Die englische Regierung
sei ihrerseits fest entschlossen, in Zukunft eine Fortsetzung dieser Vergeltungs-
politik nicht zuzulassen ohne alle in ihrer Macht befindlichen Schritte zu
tun, um ihr ein Ende zu bereiten. Er freue sich, durch diese Erklärungen,